Marlene Suson 1
wirkte so schockiert, daß Rachel sich auf die Lippen biß. Jetzt wurden ihm endlich die Augen über Emily geöffnet.
Verächtlich kräuselte Bill die Lippen. „Die Leute hass’n se. Wenn se mit ihr’m bißch’n Ess’n antanzt, müss’n wir immer in die Knie geh’n. Hab’ gehört, dasse nach Lond’n is’, jetz’ wo der Herzog ‘ne and’re genomm’m hat. Wundert mich, dasser se nich’ geheirat’ hat. Die zwei soll’n ja zusamm’pass’n wie Deck’l auf Eimer.‚
Es gefiel Rachel nicht, welche Wendung das Gespräch genom- men hatte. Sie öffnete den Mund, um Bill über die wahre Iden- tität seines Besuchers aufzuklären, doch Jeromes Blick hieß sie schweigen.
„Hab’ den Herzog nie geseh’n‚, fuhr Bill fort. „Soll die Nase mächtig hoch trag’n, sag’n alle. Aufgeblas’n wie nur irg’ndeiner.‚
„Das habe ich auch schon oft gehört‚, bestätigte Jerome so vergnügt, daß Rachel kichern mußte. Er zog sich einen Schemel heran und setzte sich neben Taggarts Bett.
Tommy zog sich an Jeromes Bein hoch und sah ihn hoffnungs- voll an. Als Jerome sich bückte und ihn auf seinen Schoß setzte, gluckste der Kleine zufrieden.
„Bill, Sie brauchen Hilfe, bis Sie wieder auf dem Damm sind‚, sagte Jerome. „Ich kenne da eine Frau, eine Witwe, die für Sie und die Kinder sorgen kann, bis es Ihnen wieder besser geht. Ich schicke sie Ihnen herüber.‚
„Nee, kannich nich’ bezahl’n.‚
„Das brauchen Sie auch nicht‚, erklärte Jerome.
„Sie mein’n, Sie ge’m ihr selbst Geld?‚ fragte Taggart. „Nett von Ihn’n. Geht aber nich’. Kannich Ihn’n nämlich nich’ zurückge’m.‚ Seine Stimme wurde bitter. „Weiß nich’, wie lange wir die Farm
noch ha’m. Der Herzog hat das Land gekauft. Wird sich nich’ drum scher’n, daß die Ernte schlecht war, die letzt’n zwei Jahr’. Hab’ Angst, er wird die Pacht erhöh’n, wie der letzte Herr auch.‚
„Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen‚, versicherte Jerome. „Das wird nicht geschehen.‚
„Könnse doch gar nich’ wiss’n, Mister Jer’m, oder wie se sonst noch heiß’n.‚
„Parnell.‚
Bills blasses Gesicht wurde noch blasser. „Se sin’ mi’m Herzog verwandt?‚
„Ich fürchte, es ist noch schlimmer‚, sagte Jerome betreten. „Ich selbst bin der Herzog. Aber ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel.‚
Bills Blick flog fragend zu Rachel. Sie nickte bestätigend. Er schluckte. „War’m ha’m se das nich’ gleich gesagt?‚
Jerome grinste wie ein Filou. „Um meinen Ruf zu ruinieren, hochnäsig und aufgeblasen zu sein? Wo denken Sie hin! Was wür- den denn die Leute sagen?‚ Er rieb sich mit Daumen und Zeige- finger über das unrasierte Kinn. „Um die Wahrheit zu sagen, mit diesem Stoppelbart und der alten Jacke hätten Sie mir ja doch nicht geglaubt.‚
„Stimmt.‚ Bill nickte. „Hab’ noch nie gehört, dass’n Herzog Holz hackt.‚
„Es macht mir Spaß‚, versicherte Jerome und fügte ehrlich hinzu: „Wahrscheinlich deshalb, weil ich mir den Luxus erlau- ben kann, es nur dann zu tun, wenn es mir Spaß macht. Hören Sie zu, Bill. Ich sage Ihnen jetzt als Ihr Herr, daß ich Mrs. Pierce herschicke, sowie ein paar Männer, die Ihnen auf der Farm hel- fen werden, bis Sie wieder ganz gesund sind. Sie werden es mir zurückzahlen, indem Sie die Farm gut bewirtschaften.‚ Er griff nach der Hand des kranken Mannes. „Sie sind der beste Pächter, den ich auf Stanmore Acres habe, und ich will Sie nicht verlieren.‚
Ihr Leben lang würde Rachel sich an den Ausdruck namen- loser Erleichterung auf Bills Gesicht erinnern. Vermutlich hatte Jerome ihm soeben eine viel wirksamere Medizin verabreicht, als sie es je gekonnt hätte.
Ihr Herz quoll über vor Liebe zu ihrem Mann, und sie lächelte ihm stolz zu.
Als sie nach Royal Elms zurückkehrten, blieb Jerome in der Marmorhalle stehen, um die Post durchzusehen, während Rachel
schon hinaufging. Obenauf lag der erste Bericht von Neville Grif- fin, dem ehemaligen Geheimagenten aus London. Jerome über- flog ihn hastig und lief dann hinauf in Rachels Zimmer.
Als er ihr von dem Bericht erzählte, fragte sie gespannt, ob Griffin schon etwas herausgefunden hätte.
„Ja, doch ich fürchte, daß es die Sache nur noch verworrener macht‚, sagte Jerome stirnrunzelnd. „Im Gegensatz zu dem Brief des Kapitäns der Betsy an deinen Onkel ist Stephen doch auf diesem Schiff von Calais nach Dover gefahren. Griffin hat mit mehreren Offizieren und
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