Marlene Suson 1
Betten, die im Raum standen. Dort lag ein Mann, der laut und rasselnd atmete. Ein mageres kleines Mädchen stand neben ihm und schaute hilflos und völlig verängstigt auf ihn nieder.
Ein weiteres Kind, ein zwei– bis dreijähriger Junge, hockte in einer Ecke und lutschte am Daumen. Dicht neben dem Bett stand eine Wiege mit einem schlafenden Säugling.
Aus den großen, erschrockenen Augen der Kinder sprach heil- lose Angst. Wer wollte ihnen das auch verdenken? Sie hatten schon die Mutter verloren, und jetzt liefen sie Gefahr, auch den Vater zu verlieren. Jerome erinnerte sich daran, wie schlimm es gewesen war, als er mit elf Jahren erleben mußte, wie seine Mutter starb.
Als das Mädchen ihre Schritte hörte, drehte sie sich um. Ihr Gesicht wirkte erschöpft und verzweifelt, und viel zu alt für ihre sieben Jahre. Dann erkannte sie Rachel, und Jerome sah über- rascht den Ausdruck namenloser Erleichterung, der über ihr Ge- sicht flog. Rachel stellte die Ledertasche ab und schloß das kleine Mädchen in die Arme.
Das Kind begann zu schluchzen. „Bitte, laß mein’ Pa nich’ ste- r’m. Er soll nich’ weggeh’n wie Mum.‚
Rachel drückte sie an sich. „Ich werde alles für ihn tun, was ich nur kann, Maggie. Komm, laß mich mal nach ihm sehen.‚
Sie trat zu dem Mann und legte ihm die Hand auf die Stirn. Bei ihrer Berührung zuckten seine Augenlider und öffneten sich mühsam. „Ich fürchte, Sie haben hohes Fieber‚, sagte Rachel sanft.
„Heiß wie Feuer isser‚, jammerte Maggie.
Der kranke Mann wurde plötzlich von einem so schweren Hu- stenanfall geschüttelt, daß Jeromes Herz sich vor Mitleid zusam-
menkrampfte. Er trat näher an das Bett heran. Obwohl er von Taggart gehört hatte, war er ihm noch nie begegnet.
Bill Taggart hob gequält den Blick zu dem Fremden, der da in seinem Haus aufgetaucht war. „Wer sind Sie?‚ fragte er krächzend.
Sofort war Jerome sich seines ungepflegten Äußeren bewußt. Der Mann würde ihn für einen Hochstapler halten, wenn er die Wahrheit sagte.
„Mein Mann‚, antwortete Rachel an seiner Stelle. „Wie lange sind Sie schon krank?‚
Taggart hustete wieder, und Maggie antwortete: „Drei Tage, is’ aber erst seit gestern im Bett.‚
Die Art, wie ungezwungen die Familie mit Rachel umging, ver- riet Jerome, daß sie nicht wußten, wer sie war.
Rachel öffnete ihre Ledertasche, nahm eine Flasche mit einer dunklen Flüssigkeit heraus und entkorkte sie.
„Zuerst gebe ich Ihnen etwas hiervon. Es ist die Medizin, die bei Maggie so gut gewirkt hat.‚ Sie gab Taggart zwei Löffel des Gebräus. „Und jetzt mache ich Ihnen einen Brustumschlag, um den Husten zu lösen. Dazu brauche ich heißes Wasser.‚
Sie schaute hinüber zu der gemauerten Feuerstelle. Das Feuer war völlig heruntergebrannt, und Jerome erkannte, wie er sich nützlich machen konnte. Er ging hinaus, um Feuerholz zu holen.
Aus dem Augenwinkel sah Rachel ihn hinausgehen. Er hatte doch nicht etwa Angst, sich bei Taggart anzustecken?
Als er zurückkam, sah sie überrascht das Feuerholz in seinen Armen. Er hockte sich neben den Kamin und fachte das Feuer wieder an, bis es hellauf loderte.
Rachel trat zu ihm. „Danke‚, sagte sie warm. „Ich werde eine Weile hierbleiben müssen. Möchtest du inzwischen zurück - reiten?‚
Unschlüssig hob er die Schultern.
Wieder hatte Taggart einen schrecklichen Hustenanfall. Der kleine Junge, der daumenlutschend in der Ecke kauerte, begann vor Angst zu weinen.
Rachel warf einen Blick in seine Richtung. „Schsch, Tommy‚.
Jerome ging zu dem weinenden Kind und nahm es auf den Arm. Die andere Hand streckte er Billy entgegen.
„Wir können hier doch nicht helfen‚, sagte er zu den beiden. „Und wir wollen doch nicht stören, wenn meine Frau versucht, euren Pa gesund zu machen.‚
Er ging mit den Kindern hinaus. Rachel segnete ihn im stillen, weil er sofort erkannt hatte, wie er ihr am besten helfen konnte.
Als sie ein paar Minuten später einen Blick nach draußen warf, schienen die beiden kleinen Jungen ihre Nöte vergessen zu ha- ben. Jerome saß mit ihnen am Boden, und alle drei waren in eine lebhafte Unterhaltung vertieft.
Eine Stunde verging, und Bills Fieber begann ein wenig zu sinken. Der Brustumschlag erleichterte ihm das Atmen, und er schlummerte ein.
Nach einer weiteren halben Stunde mußte Bill wieder husten. Doch jetzt konnte er wenigstens abhusten. Es hörte sich schlimm an und schien Maggie so zu erschrecken, daß Rachel sie rasch
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