Marlene Suson 1
Frau, die ich je geliebt habe.‚ Er grinste wehmütig. „Und die einzige Frau, bei der ich nie auch nur die geringste Chance hatte.‚
Wie betäubt starrte Jerome ihn an.
„Wissen Sie, daß ich vor ein paar Monaten um ihre Hand angehalten habe, aber dieses verdammte Weibstück von einer Tante wollte nichts davon wissen. Wenn doch nur Stephen nicht verschwunden wäre! Ich bin sicher, daß ich ihn herumgekriegt hätte.‚
Was für ein Glück für Rachel, daß Stephen zu dem Zeitpunkt nicht da war. Aber war es wirklich ein Glück? Was hatte die Ehe mit Jerome ihr gebracht? Nur Kummer und Leid, weil er ihr nicht vertrauen wollte.
„Weshalb haben Sie sich ausgerechnet den Witwensitz von Royal Elms ausgesucht?‚ fragte Jerome.
„Das war Emilys Idee. Sie sagte, daß er nie benutzt würde. Sie hat behauptet, niemand würde uns hier finden.‚
„Da hat sie sich gründlich geirrt.‚ Doch auch Jerome hatte sich geirrt. Rachel hatte ihn nicht betrogen.
Aber er, er hatte sie betrogen. Seine Weigerung, ihr zu glau- ben und zu vertrauen, war schlimmer, als wenn er ihr körperlich untreu geworden wäre. O Gott, er hatte sich furchtbar schuldig gemacht.
Jerome ging hinaus zu seinem Pferd. Jetzt wollte er nur noch nach Haus zu seiner Frau und sie um Verzeihung bitten.
Während er mit seinen Begleitern vom Witwensitz wegritt, sagte Morgan nicht ohne Spott: „Na, Jerome, wenn du Emily ge- heiratet hättest, hätte sie dich gelangweilt, unglücklich gemacht und betrogen.‚
Ja, genauso wäre es gekommen, wenn Rachel ihn nicht entführt und damit vor seiner eigenen Dummheit gerettet hätte.
Jerome hätte sich ohrfeigen können für seine Blindheit und sein Mißtrauen, doch am meisten dafür, daß er seine Frau so grau- sam verletzt hatte. Er wußte nicht, wer diese Briefe geschrieben hatte, doch Rachel war es sicher nicht gewesen, so ähnlich sich die Schriftzüge auch waren.
Sie waren noch eine Viertelmeile von Royal Elms entfernt, als ihnen ein Reiter im Galopp folgte. Als er sie erreichte, zügelte er sein schweißnasses Pferd.
Im hellen Mondlicht konnte Jerome erkennen, daß es ein jun- ger, dunkelhaariger, schlanker Mann war, der recht gut aussah.
„Wo wollen Sie hin?‚ fragte Jerome.
„Royal Elms‚.
„Was wollen Sie dort?‚
„Ich jage hinter dem Duke of Westleigh her. Als ich heute in seinem Stadthaus in London ankam, war er gerade drei Stunden vorher zu seinem Landsitz aufgebrochen. Künstlerpech, würde ich sagen.‚
„Wer sind Sie? Und weshalb haben Sie es so eilig, mit mir zu sprechen?‚
Das Gesicht des Mannes spannte sich. „Dann sind Sie West- leigh? Ich bin George Wingate.‚
Jerome war so verblüfft, daß er den Fremden einen Augenblick sprachlos anstarrte. George Wingate war wohl der letzte, den er auf Royal Elms erwartet hatte, glaubte er doch, daß George hinter den Anschlägen auf Rachels Leben steckte. „Was, zum Teufel, tun Sie hier?‚
„Ich bin gekommen, um eine Erklärung für diesen irren Brief
von Ihnen zu fordern. Was soll der ganze Unsinn von meinem Bruder, der angeblich verschwunden ist, und ...‚
„Was meinen Sie mit ,Unsinn’?‚fiel Jerome ihm ins Wort. „Ste- phen ist seit über einem Jahr spurlos verschwunden.‚
„Sind Sie verrückt? Ich habe regelmäßig Briefe von ihm erhal- ten. Mit der gleichen Post, die mir Ihren Brief brachte, kam auch einer von Stephen.‚
„Wann geschrieben, und von wo?‚fragte Jerome kurz.
„Von Wingate Hall, und geschrieben nur einen Tag vor Ihrem. Stephen versicherte mir, daß ihm mittlerweile das Landleben in Yorkshire zu gefallen beginnt. Ich hätte es ja selbst kaum geglaubt, wenn mir nicht auch Rachel geschrieben hätte, wie glücklich es sie macht, daß er endlich nach Haus und zur Ruhe gekommen ist.‚
In diesem Augenblick ging Jerome ein Licht auf. „Ich glaube, wir müssen einiges klarstellen‚, sagte er. „Stephen hat seit rund anderthalb Jahren keinen Fuß mehr auf Wingate Hall ge- setzt.‚
„Das ist ganz unmöglich‚, protestierte George. „Er hat mir von dort geschrieben. Und Rachel hat mir ausführlich berichtet, was er alles auf Wingate Hall unternimmt.‚
„In den Briefen, die Rachel Ihnen in letzter Zeit geschrieben hat, bat sie Sie immer nur, nach Hause zu kommen und Wingate Hall zu übernehmen, bevor Sophia es endgültig zugrunde rich- tet. Rachel kann die Briefe, die Sie erhielten, nicht geschrieben haben. Und Stephen ebensowenig.‚
George wirkte völlig verwirrt. „Aber erlauben Sie mal,
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