Marlene Suson 1
sie dann. „Schicken Sie ihn zu mir herauf.‚
Als Griffin eintrat, sagte Jerome: „Sie müssen Nachrichten von Lord Arlington haben.‚
Überrascht sah Griffin ihn an. „Ja, aber das ist nicht der Grund meines Kommens. Ein Matrose, der ihn von der Sea Falcon sprin- gen sah, hat einem meiner Leute unter dem Siegel der Verschwie- genheit anvertraut, daß das Schiff, das Lord Arlington irrtümli- cherweise für Festland hielt, ihn mit Sicherheit aus dem Wasser gefischt und an Bord genommen hat. Der Matrose hatte es bisher für sich behalten, weil er fürchtete, man würde Lord Arlington als Deserteur verfolgen und vor Gericht stellen. Er hielt es für besser, wenn die Offiziere der Sea Falcon den Mann für tot hielten.‚
„Dann könnte Arlington noch am Leben sein?‚
„Ja. Doch der Seemann konnte uns leider nicht sagen, welches Schiff ihn aufgenommen hat. Er hat nur gesehen, daß es unter britischer Flagge segelte.
„Nicht sehr aufschlußreich‚, bemerkte Jerome. „Aber wenn Sie nicht deswegen hergekommen sind, weshalb dann?‚
„Ich habe endlich Sophia Wingates Geschichte ausgegraben. Sie ist so schockierend, daß ich sie Ihnen persönlich berichten wollte. Ich bin fast die ganze Nacht geritten, um möglichst schnell hier zu sein. Wie Sie schon vermuteten, ist sie keine Dame der Gesellschaft. Ihr wirklicher Name war Sophia Tarbock.‚
„Teufel auch! Hat sie einen Bruder namens Leonard?‚ Nun wußte Jerome auch, weshalb Dentons angeblicher Diener ihm so bekannt vorgekommen war.
„Ja. Woher wissen Sie das? Die beiden sind die illegitimen Sprößlinge eines Baronets und eines Stubenmädchens. Sophias Vater verschaffte ihr die Stellung einer Kammerzofe, als sie un- gefähr fünfzehn war. Sie wurde dann später ohne Zeugnis entlas- sen, weil sie ihre Herrin bestohlen hatte. Doch inzwischen hatte sie gelernt, sich wie eine Dame aufzuführen.‚
„Und hat sich dann auch als solche ausgegeben?‚
„Nicht gleich. Erst wurde sie noch die Mätresse eines Meister- fälschers, der sie in sein Metier einführte und unterrichtete. Es stellte sich heraus, daß sie noch weit geschickter war als er selbst. Sie soll die Beste in ihrem Fach gewesen sein.‚
Ein weiteres Stück, das in das Puzzlespiel paßte. „Das kann ich bestätigen‚, sagte Jerome. Schuldbewußt dachte er an das verheerende Chaos, das Sophias Kunstfertigkeit in seinem und Rachels Leben angerichtet hatte.
„Was jetzt kommt, ist noch schockierender. Alfred Wingate ist nicht Sophias zweiter Mann, sondern ihr vierter. Die beiden er- sten Männer, beide gutsituierte Kaufleute – einer in Gravesend und der andere in Bristol – starben kurz nach der Eheschließung an einer geheimnisvollen Krankheit, der auch ihr dritter Man, Sir John Creswell, zum Opfer fiel. Ich bin fest davon überzeugt, daß alle drei vergiftet wurden, Euer Gnaden. Und ich fürchte, Alfred Wingate befindet sich ebenfalls in höchster Gefahr.‚
Da hatte er zweifellos recht. Und hätte Jerome Rachel nicht von Wingate Hall weggeholt, wäre sie mit großer Gewißheit schon tot. Was für ein Glück, daß sie jetzt auf Royal Elms lebte und in Sicherheit war.
Jerome sehnte sich danach, sie in die Arme zu nehmen. Er wollte sie trösten und sie um Verzeihung bitten, weil er an ihr gezwei- felt hatte.
Als Griffin sich gerade verabschiedet hatte, stürzte Mrs. Need-
ham ins Zimmer. „Ich mache mir große Sorgen um Ihre Gnaden. Sie hat ihr Boudoir noch nicht verlassen, und sie antwortet nicht auf mein Klopfen.‚
Panik stieg in Jerome auf. Mit einem Satz war er an der Ver- bindungstür, hämmerte mit den Fäusten dagegen und rief laut Rachels Namen.
Die Antwort war nur Schweigen.
Mit aller Kraft warf er sich gegen die Tür. Sie ächzte in den Angeln, ging jedoch nicht auf. Er versuchte es noch einmal. Man hörte Holz splittern, und die Tür flog auf.
Jerome rannte ins Zimmer. Keine Spur von seiner Frau, nur ein Brief auf dem Kopfkissen, der an ihn adressiert war.
Mit fliegenden Fingern riß er ihn auf.
Jerome, ich habe Royal Elms verlassen. Ich werde dich nie mehr mit meiner unwillkommenen Gegenwart belästigen. Ich bitte dich nur um eines: Versuch nicht, mich zu finden, denn ich werde nie- mals zu dir zurückkehren.
Ich wäre lieber tot, als mit einem Mann zu leben, der abstreitet, der Vater unseres Kindes zu sein. Unser Baby hat etwas Besseres verdient, und das habe ich auch. Rachel.
Ja, bei Gott, sie hatte etwas Besseres verdient. Jerome war, als hätte man ihm ein
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