Marlene Suson 1
„Vielleicht sollte ich es lieber als Frage formulieren. ,Wollen Sie mich zum glücklichsten Mann der Welt machen?’ An so etwas erinnert eine Frau sich ihr Leben lang. Sie wissen ja, was für närrische, romantische Geschöpfe sie sind. Da will man natürlich das Richtige sagen.‚
Besorgt schaute Felix hinab auf seine makellosen Seiden- strümpfe. „Ich weiß, ich sollte vor ihr niederknien, wenn ich um sie anhalte, aber dann würde ich mir doch die Strümpfe beschmut- zen. Gewiß wird Lady Rachel so etwas nicht von mir erwarten.‚
„Und wenn sie Ihren Antrag ablehnt?‚
„Ablehnt?‚ Diese Möglichkeit zog Seine Lordschaft offensicht- lich nicht in Betracht. „Lächerlich! Lady Rachel ist doch nicht dumm!‚ Seine Stimme hatte sich entrüstet gehoben. „Sie wird überglücklich sein. Wie können Sie nur glauben, daß sie meinen Antrag ablehnt? Immerhin ist sie erstaunlich gescheit für eine Frau.‚
Eben deswegen, dachte Jerome, verkniff sich jedoch eine ent- sprechende Bemerkung.
Rachel musterte Lord Felix widerwillig, als er ihr vor dem Dinner seine Aufwartung machte. Sein purpurroter Satinrock war mit aufwendigen Goldstickereien verziert, und er roch wieder durch- dringend nach Moschus. Sicher würde sie gleich erneut niesen müssen.
Zum Glück trat in diesem Augenblick Tante Sophia zu ihnen, um Felix zu begrüßen. Rachel ging rasch hinüber zu ihrem Onkel, der sich mit dem Herzog und Mrs. Archer unterhielt. „Hast du schon gehört, daß Lucinda Quincy heute geheiratet hat?‚ fragte Onkel Alfred.
Rachel mochte Lucinda sehr. Sie war eine niedliche, ein wenig scheue kleine Erbin von sechzehn Jahren und lebte mit ihrem Vormund ein paar Meilen westlich von Wingate Hall. „Wen?‚ rief sie überrascht. „Sie war ja nicht einmal verlobt.‚
„Phillip Rutledge.‚
Rachel fuhr entsetzt zurück. „Das kann nicht sein! Lucinda haßt Rutledge!‚ rief sie empört.
Sophia hob den Kopf, runzelte die Stirn und kam zu ihnen herüber.
„Lucinda würde ihn nie heiraten!‚ rief Rachel erregt. „Diese schleimige Kröte ist doch ein ganz abgefeimter Mitgiftjäger!‚
„Dann hätte die dumme Gans nicht die Nacht mit ihm verbrin- gen dürfen‚, sagte Sophia kalt. „Wenn ein unverheiratetes Mäd- chen so etwas tut, muß sie den Mann heiraten, oder sie ist ruiniert.‚
„Ich kann nicht glauben, daß Lucinda mit Rutledge irgendwo hingegangen ist!‚ rief Rachel. „Wozu auch? Sie kann ihn nicht ausstehen.‚
„Sie ist nicht freiwillig mitgegangen‚, sagte Mrs. Archer. „Er hat sie mit Gewalt entführt und in ein Gasthaus gebracht, so daß sie ihn heiraten mußte. Er wußte genau, daß sie sonst nie seine Frau geworden wäre.‚
„Die Umstände sind irrelevant‚, erklärte Sophia ungerührt. „Ausschlaggebend ist, daß sie die Nacht mit ihm vebracht hat. Folglich mußte sie ihn heiraten.‚
Zutiefst empört über diese Ungerechtigkeit rief Rachel: „Aber Lucinda war doch das Opfer! Wieso muß sie Rutledge heiraten, wenn er sie gegen ihren Willen entführt hat? Warum wird sie für etwas bestraft, das er verbrochen hat? Das ist eine himmelschrei- ende Ungerechtigkeit!‚
„Ja, ganz recht‚, sagte der Herzog neben ihr mitfühlend. „Unglücklicherweise jedoch ist das Leben selten gerecht, Lady Rachel.‚
Ihr Herz schlug schneller, weil er so nah neben ihr stand. „Ist das Leben Ihnen gegenüber auch ungerecht gewesen, Euer Gna- den?‚ fragte sie herausfordernd.
Er lächelte flüchtig. „Nein, ich kann mich nicht beklagen. Aber ich habe eben großes Glück gehabt.‚
Es beeindruckte Rachel, daß er so offen zugab, vom Glück be- günstigt zu sein, und daß er Rang und Reichtum nicht einfach als Geburtsrecht hinnahm. Doch bevor sie dieses Thema weiter vertiefen konnte, wandte er sich ab.
Als die Wingates und ihre Gäste nach dem Dinner in den Salon gingen, verließ der Herzog sie.
„Rachel, liebes Kind‚, flötete Tante Sophia. „Lord Felix ist ein großer Bewunderer der Cembalomusik.‚
Rachel hatte gelernt, auf der Hut zu sein, wenn Sophia sie ,lie- bes Kind’ nannte, und noch dazu mit so honigsüßer Stimme.
„Begleite ihn doch bitte ins Musikzimmer, damit er sich von dem wundervollen Klang unseres Cembalos überzeugen kann.‚
Rachel wäre lieber barfuß über glühende Kohlen gegangen, als mit Lord Felix allein zu sein, doch sie wußte, daß es sinnlos war, Tante Sophia zu widersprechen.
Während sie mit Felix den Salon verließ, sah sie überrascht, daß er seinen
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