Marlene Suson 1
vorsichtig abzutasten.
„Maxi hat versucht, mich vor Felix’ Zudringlichkeiten zu be- schützen.‚
Der Herzog berührte eine Stelle an Maxis Brustkorb, und der Hund jaulte auf.
„Tut mir leid, kleiner Freund‚, sagte der Herzog besänftigend. „Ich muß das tun.‚
Rachel sah zu, wie der Duke of Westleigh ihren kleinen Lieb- ling tröstete. Wie sehr er sich doch von Lord Felix unterschied! Hinter seiner herzoglichen Fassade verbarg sich ein freundlicher, gütiger Mann, der sich auch seiner Verantwortung nicht entzog. Genau wie sie, glaubte er daran, daß ein großes Erbe nicht nur Privilegien, sondern auch Pflichten mit sich brachte. Er war we- der verwöhnt und verweichlicht wie Felix, noch leichtsinnig und gedankenlos wie ihr Bruder Stephen.
Und er war der aufregendste Mann der Welt.
Er beendete seine Untersuchung und schaute zu Rachel auf. „Offenbar hat er nur ein paar Rippenprellungen.‚
„Gott sei Dank!‚ Sie hob den Terrier hoch und drückte ihn an die Brust.
„Gehe ich recht in der Annahme, daß Lord Felix Ihnen soeben einen höchst schmeichelhaften Antrag gemacht hat?‚
„Schmeichelhaft!‚ Zornesröte stieg Rachel in die Wangen. „Wissen Sie, was er gesagt hat?‚
In den Augen des Herzogs blitzte es belustigt auf. „Er bat Sie, ihm die Ehre zu erweisen, seine Frau zu werden.‚
„Gebeten hat er um nichts. Er hat mir die Ehre erwiesen, mich zu seiner Frau machen zu wollen.‚ Sie bemerkte seine Heiterkeit. „Das ist kein Spaß!‚ fuhr sie ihn an. „Wie können Sie darüber lachen?‚
„Er hat sich gewiß nur versprochen.‚
„Er hat genau das gesagt, was er im Grunde auch gemeint hat!‚ rief Rachel erbost. „Dieser unausstehliche Fatzke!‚
„Und wenn Sie ihm nun das Herz gebrochen haben?‚ gab der Herzog mit zuckenden Mundwinkeln zu bedenken.
„Seinen Stolz vielleicht, aber nicht sein Herz. Ich bilde mir nicht ein, daß Felix Gefühle an mich verschwendet. Dazu kenne ich ihn zu gut. In seinem Herzen ist nur Platz für ihn selbst. Ich bin für ihn nur ein weiteres Schmuckstück in seiner Sammlung.‚
Jerome musterte sie scharf. „Sie glauben nicht, daß er leiden- schaftlich in Sie verliebt ist?‚
„Es gibt nur eine Leidenschaft, der er frönt‚, erklärte Rachel geringschätzig. „Und das ist sein Sammeltrieb. Ich bin für ihn auch nur so ein Sammelobjekt, wie seine Aquarelle, Skulpturen und Vasen.‚
Die in den Augen des Herzogs aufglimmende Bewunderung war unverkennbar. Und noch etwas war darin zu lesen, etwas Tiefes, Warmes, das ihren Pulsschlag beschleunigte.
Er neigte den Kopf zu ihr herab, langsam, als würde er von einer Kraft getrieben, die er nicht kontrollieren konnte. Gleich würde er sie küssen. Sie hielt Maxi noch im Arm und wünschte, sie hätte ihn rechtzeitig abgesetzt. Jeromes Mund kam immer näher. Sie sehnte sich danach, seine Lippen auf ihren zu spüren.
In diesem Augenblick begriff Rachel mit schmerzhafter Klar- heit, daß sie sich hoffnungslos in den Duke of Westleigh ver- liebt hatte.
Vor langer Zeit einmal hatte sie ihre Mutter gefragt, woran eine Frau erkannte, daß sie einen Mann wirklich hebte. Mama hatte ihr versichert, daß sie es wissen würde, wenn es passierte. Rachel war damals nicht recht überzeugt gewesen, doch jetzt wußte sie, daß Mama recht gehabt hatte.
Der Herzog war dieser Mann.
Als seine Lippen die ihren fast berührten, erstarrte er mitten in der Bewegung. Tief bestürzt sah Rachel, wie sein Blick plötz- lich hart und abweisend wurde. Hastig trat er einen Schritt zu- rück, murmelte etwas von ,wieder in den Salon müssen’ und ver- ließ sie.
Traurig sah Rachel ihm nach. Erkannte dieser Mann denn nicht, daß sie füreinander bestimmt waren?
Nein, offenbar nicht. Hatte Mama damals nicht auch gesagt, daß selbst die klügsten Männer oft nicht merkten, wo ihr Glück
lag, und daß man sie manchmal mit sanfter Gewalt auf den rich- tigen Weg bringen mußte?
Nur leider hatte Rachel nicht die leiseste Ahnung, wie sie das bei dem Herzog bewerkstelligen sollte.
Wenn Mama doch nur da wäre, um sie zu beraten! Rachel mußte einen Weg finden, um Westleigh dazu zu bringen, sie zu heiraten. Das würde sie nicht nur vor einer Ehe mit Lord Felix retten – der Herzog war ganz einfach ihr Schicksal. Diese Chance durfte sie auf keinen Fall vertun!
11. KAPITEL
Jerome konnte nicht schlafen, weil die Erinnerimg an ein Paar leuchtend blauer Augen ihn nicht losließ. Leise ging er in dem dunklen Haus die Treppe hinunter,
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