Marlene Suson 1
begriff.
Doch Morgan kannte seinen Bruder zu gut, um auch nur einen Augenblick daran zu glauben, eine Entführung allein würde ihn dazu bringen, Rachel zu heiraten. Wenn man es jedoch richtig anstellte, könnte es vielleicht doch funktionieren. Morgan hatte schon eine Idee. Es war ein gewagtes Spiel, und er war sich sei- nes Erfolgs durchaus nicht sicher, aber es war Rachels einzige Hoffnung.
Und Jeromes.
„Also gut, ich helfe Ihnen‚, sagte Morgan. „Aber nur wenn Sie versprechen, genau das zu tun, was ich Ihnen sage.‚
„Ich verspreche es‚, sagte Rachel mit leuchtenden Augen.
„Dann hören Sie jetzt aufmerksam zu.‚
14. KAPITEL
Während Peters eifrig beim Packen war, entfloh Jerome dem Durcheinander in seiner Suite mit einem Buch unterm Arm, um in der Abgeschiedenheit der Bibliothek Zuflucht zu su- chen.
Er hatte sich kaum niedergelassen und das Buch geöffnet, als Rachel hereinkam.
„Kerlan sagte mir, daß ich Sie hier finde.‚
Jerome blickte auf und hielt den Atem an. Sie trug das glei- che violette Reitkleid wie bei ihrem ersten Zusammentreffen, das ihre verführerische Figur so besonders gut zur Geltung brachte. Er spürte, wie sein Körper reagierte. Obwohl er doch wußte, wes Geistes Kind sie war, konnte er sich ihren Reizen einfach nicht entziehen. Zur Hölle mit ihr!
Sie schloß die Tür hinter sich, trat zu ihm und reichte ihm ein zusammengefaltetes Blatt Papier. „Das soll ich Ihnen ge- ben.‚
Er schloß das Buch, legte es beiseite und griff nach dem Blatt. Sein Name stand darauf, und zwar in Morgans Handschrift. Sein Kopf fuhr hoch. „Woher haben Sie das?‚
„Von dem Mann, der es geschrieben hat.‚
„Wissen Sie, wer er ist?‚ fragte Jerome scharf und hoffte, daß Morgan nicht ein solcher Narr gewesen war, Rachel seine Iden- tität preiszugeben.
„Ja.‚
„Wer ist es?‚
„Lesen Sie, dann wissen Sie es.‚
Er entfaltete das Blatt und überflog die Notiz in der unver- wechselbaren Handschrift seines Bruders:
Lieber Jerome, muß Dich sofort treffen. Absolut dringend. Lady Rachel wird Dich zu mir bringen. Es ist wichtig, daß du weder Ferris noch sonst jemandem verrätst, wo du hinwillst. M.
Aus schmalen Augen sah Jerome sie an. „Sagen Sie mir, wer Ihnen das gegeben hat.‚
Sie blinzelte überrascht. „Ist keine Unterschrift da?‚
„Nur ein Buchstabe. Welchen Namen hat er Ihnen genannt?‚
„Gentleman Jack.‚
„Woher kennen Sie ihn?‚
„Man hat mich gerufen, um seine Verletzung zu behandeln.‚
„Wie schwer war sie?‚ fragte Jerome alarmiert.
Sein sichtliches Erschrecken überraschte sie. „Nicht so schwer. Die Kugel hat seinen Schenkel getroffen, doch es wird kein Scha- den zurückbleiben. Die Wunde heilt gut.‚
„Weshalb will Gentleman Jack, daß ich zu ihm komme?‚
„Das müssen Sie ihn schon selbst fragen.‚ Sie lächelte geheim- nisvoll. „Ich habe ihm gesagt, daß Sie heute abreisen. Daraufhin meinte er, daß er Sie unbedingt vorher sprechen müßte.‚
Es kam Jerome vor, als wären sie schon eine Stunde im Kreis gerit- ten. Als er Rachel fragte, wo sie eigentlich hinwollte, erklärte sie, daß sie lediglich Gentleman Jacks Anweisungen folge. Er habe sie gebeten, nicht auf direktem Weg zu seinem Versteck zu kommen.
Als sie den Wald endlich verließen und auf eine Lichtung hinausritten, erblickte er ein recht stattliches Haus aus grauem Schiefer.
Sie saßen ab und gingen zur Tür. Rachel ging hinein, ohne zu klopfen. Jerome folgte ihr in der Hoffnung, seinen Bruder zu sehen. Als er das Haus betreten hatte, rief er laut nach Gentle- man Jack.
Keine Antwort. Mit einem rächen Blick in den Salon und die Küche vergewisserte er sich, daß beide Räume leer waren. Des- halb ging er durch den schmalen Flur zu einer Tür an dessen Ende und betrat ein großes Schlafzimmer.
Auch hier war Morgan nicht.
„Zum Teufel, wo ist er?‚ fragte Jerome ungehalten. Da ent- deckte er auf dem Nachttisch einen Zettel, der unter eine Flasche geklemmt war. Daneben stand ein leeres Glas. Die Botschaft auf dem Zettel war an ihn gerichtet.
Jerome zog den Zettel unter der Flasche hervor und erkannte die Handschrift seines Bruders:
Lieber Jerome, falls Du vor mir ankommst, mach es Dir bequem. Ich muß noch eine Kleinigkeit erledigen und komme zurück, so
schnell ich kann. Laß Dir inzwischen meinen ausgezeichneten französischen Cognac schmecken. M.
Jerome ließ sich auf die Bettkante sinken und schlug mit der Faust so hart auf den Nachttisch, daß
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