Marlene Suson 1
begleitet von so heftigen Donnerschlägen, daß das Haus erzitterte. Inzwischen goß es wie aus Kübeln.
„Bei diesem Unwetter können Sie nicht nach Haus reiten, Lady Rachel‚, sagte Gentleman Jack. „Selbst wenn der Regen aufhört, müssen Sie warten, bis es hell wird. Im Wald wird es stockfinster sein, und auf dem Weg können umgestürzte Bäume liegen, die Sie nicht sehen werden.‚
Er hatte recht, doch Rachel zögerte.
Gentleman Jack sah es und sagte: „Ich schwöre, daß ich Ihnen kein Haar krümme, weder in dieser Nacht noch in irgendeiner anderen.‚
„Oh, das fürchte ich auch nicht‚, versicherte Rachel. „Aber was geschieht, wenn man entdeckt, daß wir die Nacht hier zusammen verbracht haben?‚ Sie dachte an das traurige Schicksal der ar- men Lucinda Quincy.
Das übermütige Funkeln, das sie so sehr an Jerome erinnerte, tanzte in den Augen des Straßenräubers. „Dann müßte ich Sie heiraten.‚
„Aber ich will Sie nicht heiraten!‚
„Wie schade‚, seufzte er wehmütig. „Ich glaube, ich würde Sie gern heiraten. Demnach ziehen sie noch immer den Herzog vor?‚
„Ja‚, gestand sie.
„So ein Glückspilz!‚
Jerome beobachtete von seinem Fenster aus, wie die erste Mor- gendämmerung über das Land kroch. Wegen des heftigen Ge- wittersturms und seinem nicht minder heftigen Zorn auf Rachel hatte er kein Auge zugetan.
Eine Bewegung auf dem Weg zu den Ställen ließ ihn aufmerken. Es war Ihre Ladyschaft, die nach Wingate Hall zurückgeschlichen kam! Heiße Wut wallte in Jerome auf.
Diese gottverdammte kleine Kokotte war genauso lüstern wie alle schönen Frauen. Man brauchte sie nur anzusehen. Ihr schwar-
zes Haar hing ungekämmt und zerzaust herunter. Sie sah aus, als hätte sie noch vor ein paar Minuten mit Anthony Denton im Bett gelegen.
Bei der Vorstellung biß Jerome die Zähne so fest aufeinander, daß es knirschte. Wieder hatte dieser Bastard sich die Frau ge- nommen, die er, Jerome, wollte.
Rachel schlüpfte ins Haus, ohne zu ahnen, daß er sie beobach- tete. Er fluchte gotteslästerlich, erst auf sie und dann auf sich selbst, weil er, obwohl er wußte, was sie getan hatte, noch immer nach ihr verlangte.
Mehr, als er je nach Cleo verlangt hatte.
Zur Hölle mit ihr! Sie hatte ihn verhext. Er mußte fort von ihr und von Wingate Hall. Er mußte auf kürzestem Wege zurück nach Royal Elms und Emily Hextable einen Antrag machen.
Das würde jedoch bedeuten, daß der Zweck dieser Reise uner- füllt blieb. Er konnte unmöglich fort, ohne seinen Bruder überre- det zu haben, seine Karriere als Straßenräuber aufzugeben. Doch auf Wingate Hall bleiben konnte er auch nicht.
Die Lösung war einfach. Er würde Wingate Hall morgen ver- lassen und im „White Swan‚ Logis nehmen, bis sich die Gelegen- heit ergab, mit Morgan zu sprechen.
Nachdem dieser Plan gefaßt war, ging Jerome zu Bett.
Als Jerome erwachte, war es fast drei Uhr nachmittags. „Warum haben Sie mich nicht geweckt?‚ raunzte er seinen Kammerdie- ner an.
„Weil Euer Gnaden mir schon vor Jahren gedroht haben, daß ich auf der Stelle entlassen werde, wenn ich das wage.‚
Jerome unterdrückte ein Grinsen. „Ja, ich erinnere mich flüch- tig. Aber, zum Teufel, ich habe ja den halben Tag verschlafen.‚
Auf jeden Fall war es jetzt zu spät, um noch am heutigen Tage abzureisen. Obwohl er ja nur bis zum „White Swan‚ wollte, muß- ten doch alle auf Wingate Hall glauben, daß er nach Royal Elms zurückkehrte. Deshalb konnte er nicht erst am Nachmittag auf- brechen. Er mußte die Reise auf morgen verschieben.
Nachdem er gebadet, sich rasiert und angekleidet hatte, machte er sich auf die Suche nach Sophia, um sie von seiner morgigen Abreise in Kenntnis zu setzen.
Kerlan beschied ihn ins Morgenzimmer, doch als Jerome es be- trat, fand er dort nur Lady Rachel vor, die in ihrem rosa Seiden- kleid besonders liebreizend wirkte.
Er glaubte sein Herz gegen sie gestählt zu haben, doch als sie ihm entgegenlächelte, spürte er, wie er schwach wurde.
Diese Schwäche machte ihn fuchsteufelswild. Es war nicht zu fassen! Dieses gewissenlose Frauenzimmer hatte die Nacht im Bett eines anderen Mannes verbracht, und jetzt lächelte sie ihm zu, als wäre er die Liebe ihres Lebens.
„Wo ist Denton?‚ fragte er kühl.
Ihre schönen Augen weiteten sich überrascht. „Keine Ahnung.‚ Sie klang, als würde es sie auch nicht sonderlich interessieren. War die Liebesnacht eine Enttäuschung gewesen?
Sophia rauschte ins Zimmer.
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