Marlene Suson 1
Reihenfolge auf- gestellt, mit dem Butler an der Spitze. Neben ihm stand die Haus- hälterin, die tatsächlich nicht gerade umgänglich wirkte.
Während Jerome Rachel die Leute nacheinander vorstellte, richtete sie an jeden ein freundliches Wort, um ihnen die Befan- genheit zu nehmen.
Sie wünschte, sie könnte das gleiche für Jerome tun. Ganz of-
fensichtlich haßte er diese Zeremonie. Seine unnahbare herzogli- che Haltung hielt jeden auf Abstand, und Rachel vermutete, daß er sich dessen nicht einmal bewußt war.
Und auch nicht der Wirkung, die diese Haltung auf die Dienst- boten hatte. Kein Zweifel, alle respektierten ihn, doch sie fühlten sich in seiner Gegenwart nervös und verunsichert.
Eine der letzten in der Reihe war ein junges Mädchen, dessen Kopf so tief gesenkt war, daß das Kinn fast die Brust berührte. Auch bei der Vorstellung hob sie den Kopf nicht, sondern mur- melte nur ein paar kaum hörbare Worte.
Zuerst glaubte Rachel, das Mädchen, eine Spülmagd namens Jane, sei übermäßig schüchtern. Doch dann bemerkte sie, daß sie mit einem viel ernsteren Problem behaftet war.
Rachel legte ihr die Fingerspitze unter? Kinn und hob sanft ihr Gesicht hoch. Es war mit einem häßlichen, Blasen werfenden Ausschlag bedeckt.
Das Mädchen schluchzte auf und zuckte zurück. Tief beschämt schlug sie die Hände vors Gesicht.
„Das ist doch nichts, dessen man sich schämen muß, Jane‚, sagte Rachel begütigend. „Es scheint eine Gesichtsrose zu sein.‚
„Das sagt die Köchin auch‚, flüsterte Jane bedrückt.
Rachel war froh, daß Morgan ihre Ledertasche mitgebracht hatte. „Ich habe ein ausgezeichnetes Mittel dagegen. Das werde ich für dich holen lassen.‚
„Für ... mich?‚ stammelte das Mädchen. „Aber . . . bin doch nur ‘ne Spülmagd.‚
„Um so unentbehrlicher bist du‚, versicherte Rachel freund- lich. „Wovon sollten wir denn essen, wenn wir keine sauberen Teller hätten?‚
Ein scheues Lächeln huschte über Janes Gesicht.
Nachdem Rachel alle kennengelernt hatte, nahm Jerome ihren Arm und führte sie zum Salon. Einer der zahlreichen Lakaien eilte voraus und riß die Tür auf.
Rachel lächelte ihm zu. „Danke, Paul.‚
Als die Tür sich hinter ihnen schloß, wandte Rachel sich Je- rome zu und stellte fest, daß er sie verblüfft anstarrte. „Was ist los?‚
„Ich bin erstaunt, daß du dich an Pauls Namen erinnern konn- test, nachdem ich dir ein ganzes Regiment Dienstboten vorgestellt habe.‚
„Und ich bin erstaunt über die große Anzahl. Ich kann mir
kaum vorstellen, daß man so viele Leute braucht, nicht einmal bei einem Haus dieser Größe.‚
„Nein‚, gab Jerome mit einem verlegenen Achselzucken zu. „Aber in den vergangenen zwei Jahren hatten wir auch in Bedfordshire schlechte Ernten. Viele Leute benötigten dringend Arbeit, und ich kann es mir leisten, sie zu beschäftigen.‚
„Wie ungemein lieb von dir!‚ Je näher Rachel Jerome ken- nenlernte, desto überzeugter war sie davon, genau den Ehemann gefunden zu haben, von dem sie immer geträumt hatte. Wenn er doch nur die gleiche Meinung von ihr hätte!
„Dem Himmel sei Dank, daß wir dieses Kreuz hinter uns ha- ben. Ich glaube, die Leute hassen es genauso wie ich. Aber es ist nun mal Tradition.‚ Jerome lächelte ihr anerkennend zu, und der Stolz in seinen Augen ließ Rachels Herz hüpfen. „Es hat mich be- eindruckt, daß du für jeden ein freundliches Wort gefunden hast. Mir geht dieses Talent ab, und ich wünschte, es wäre anders.‚
„Ich denke, wenn du es nicht so hassen würdest, dann würden die Leute es spüren und sich ganz anders verhalten.‚
„Wieso?‚ fragte er verblüfft.
„Sie merken dir dein Unbehagen an und sind deshalb verun- sichert‚, sagte Rachel und lächelte ihm zu. „Aber jetzt muß ich mich um Janes Ausschlag kümmern.‚
Sie ging hinauf und kam mit einer Flasche und einer Feder wieder herunter. Als sie Jerome nach dem Weg zur Küche fragte, begleitete er sie dorthin, sehr zur Bestürzung der Köchin und ihrer sprachlos gaffenden Helferschar, die den Herzog noch nie im Leben hier unten in der Küche angetroffen hatten.
„Komm, setz dich‚, forderte Rachel Jane auf und wies auf die Bank vor dem langen Tisch, der mitten in der Küche stand.
Das Mädchen gehorchte. Rachel schüttelte die Flasche, ent- korkte sie und tauchte die Feder hinein. „So, jetzt paß gut auf, wie du es auftragen mußt.‚ Sie betupfte das Gesicht des Mäd- chens mit der aromatisch
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