Marlene Suson 1
Eltern es stets getan hatten.
„Seine Gnaden gab Anweisung es zu tun, sobald Sie wach sind.‚
Rachel fiel aus allen Wolken. Was war geschehen? Wollte Je- rome sie nicht mehr bei sich haben? Sie kämpfte ihre Enttäu- schung nieder und fragte: „Wo ist der Herzog?‚
„Im Arbeitszimmer.‚
Rachel fand ihn dort hinter einem großen Schreibtisch. Er brü- tete über den Geschäftsbüchern, die offen vor ihm auf der Tisch-
platte lagen. Sein blondes Haar war arg zerwühlt, als hätte er es sich wiederholt gerauft.
Bei ihrem Eintritt schaute er auf. Ein Funke blitzte in seinen Augen auf, doch die gefurchte Stirn glättete sich nicht. Bevor sie etwas sagen konnte, erklärte er barsch: „Wenn du ausreiten willst, wird Ferris dich begleiten.‚
Es enttäuschte Rachel, daß Jerome offenbar keine Lust hatte, sich ihr anzuschließen.
„Du wirst auf Royal Elms keinen Schritt tun, ohne daß Ferris, Morgan oder ich dich begleiten.‚
„Warum?‚ Es widerstrebte ihr, daß er ihre Freiheit dermaßen einschränken wollte.
„Als meine Gemahlin schickt es sich nicht für dich, allein durch die Gegend zu reiten, wie du es auf Wingate Hall gewöhnt warst. Deine gesellschaftliche Stellung verbietet es.‚
„Ich lege keinen Wert auf gesell ...‚
„Ich schon!‚fiel er ihr ins Wort. „Und du bist meine Frau.‚
Betroffen sah Rachel ihn an. Wo war der feurige Liebhaber von vorhin geblieben? Sie versuchte ihn mit einem Lächeln zu entwaffnen. „Ich hatte gehofft, ich könnte dich zu einem Ausritt überreden.‚
Für einen kurzen Augenblick verriet sein Gesicht, wie sehr diese Vorstellung ihm gefiel, doch sofort wurde es wieder abweisend. „Keine Zeit. Eine Menge Arbeit wartet auf mich.‚
„Ich verstehe‚, gab Rachel steif zurück. „Mrs. Needham sagte mir, du hast sie angewiesen, meine Sachen aus deinem Schlaf- zimmer zu räumen.‚
„Ja‚, bestätigte er kurz. „Es wird bequemer für dich sein, wenn du eine eigene Suite hast.‚
Ein schneidender Schmerz durchfuhr sie, gefolgt von aufwal- lendem Zorn. „Und vor allem für dich!‚ schnappte sie. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um, stürmte hinaus und warf die Tür hinter sich zu.
Mit wütenden Schritten ging sie hinauf in ihr neues Boudoir. Das Schlafgemach war ganz in blauer Seide gehalten und mit zierlichen, eleganten Möbeln ausgestattet. Doch es fehlte etwas ganz Wesentliches –ihr Ehemann.
Rachel entdeckte eine Verbindungstür zu Jeromes Schlafzim- mer und öffnete sie. Der Schlüssel steckte auf seiner Seite im Schloß. Wutentbrannt riß sie ihn heraus und steckte ihn auf ihrer Seite wieder ins Schloß.
Vielleicht – man konnte ja nie wissen – würde sie den Schlüs- sel herumdrehen. Dann würde er auch einmal sehen, wie es war, wenn man ausgeschlossen wurde.
Als Rachel an diesem Abend hinauf in ihr Schlafzimmer ging, führte ihr erster Weg zur Verbindungstür, wo sie mit grimmiger Miene und einem resoluten Ruck den Schlüssel im Schloß her- umdrehte.
Nachdem sie am Nachmittag aus dem Arbeitszimmer gestürmt war, hatte sie Jerome erst zum Dinner wiedergesehen, das sie in dem großen, mit Blattgold prächtig verzierten Speisesalon einnahmen, in dem man problemlos fünfzig Gäste unterbringen konnte.
Das Dinner war eine schweigsame, in gespannter Atmosphäre stattfindende Angelegenheit. Man speiste an einem langen Tisch unter den wachsamen Augen – und den gespitzten Ohren – einer Phalanx von Lakaien, die sie bedienten.
Rachel war immer noch zornig und gekränkt, weil Jerome sie aus seinem Schlafzimmer vertrieben hatte. Doch er schien ih- ren Groll gar nicht zu bemerken, und sie konnte ihn vor all den Dienstboten auch nicht zur Sprache bringen.
Sofort nach dem Dinner ging er wieder in sein Arbeitszimmer.
Als Rachel sich auskleidete, um zu Bett zu gehen, horchte sie nach draußen, ob sie vielleicht seine Schritte in der Halle hören würde. Doch als sie sie schließlich vernahm, lag sie schon fast eine Stunde im Bett.
Er ging in sein Zimmer, und sie wartete gespannt auf den Au- genblick, wenn er entdecken würde, daß die Verbindungstür ver- schlossen war. Ganz gewiß würde er wütend werden.
Sie war es jedenfalls!
Die Minuten tickten dahin, und so verging eine Stunde. Ra- chel, die sich unter der Decke zusammengerollt hatte, lauschte angestrengt in die Dunkelheit, damit ihr kein Geräusch aus dem Nebenzimmer entging. Doch dort war es ganz still.
Schließlich mußte sie sich mit dem Gedanken abfinden, daß er zu Bett
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