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Marlene Suson 2

Marlene Suson 2

Titel: Marlene Suson 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Mitternachts-Lord
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Mädchen also, das dem älteren Bruder den Haushalt führt, dachte Stephen. Ob Megan Drake wohl einen Vereh- rer hatte, den sie mit ihrem wirklich bezaubernden Lächeln verwöhnte? Seltsamerweise störte dieser Gedanke ihn.
    „Und wer sind Sie?“
    Ihre Frage traf ihn unvorbereitet. Er wollte sie nicht belügen, nachdem sie so freundlich zu ihm gewesen war, aber wie weit durfte er ihr trauen?
    Wenn er ihr die volle Wahrheit sagte, würde sie es ihm doch nicht glauben. Sie würde unweigerlich nach dem Sheriff schik- ken, weil sie ihn für einen Verbrecher oder für total verrückt halten würde. Und wenn sie das tat, würde man ihn in Ketten zu Hiram Flynt zurückbringen. Dieser Gefahr durfte er sich nicht aussetzen. Deshalb sagte er: „Mein Name ist Stephen Wingate.“
    Zu seiner Bestürzung wurde sie plötzlich steif, und ein kalter, abweisender Ausdruck trat in ihre Augen. „Lügen Sie mich nicht an.“
    „Das tue ich nicht.“ Was in aller Welt brachte sie zu der An- sicht, daß er log? Das bestrickende Lächeln war gänzlich von ihrem Gesicht verschwunden, und in ihren Augen las er nur di- stanzierte Wachsamkeit. „Gott ist mein Zeuge, daß ich nicht lüge. Wieso glauben Sie so etwas?“
    „Als Sie im Fieber lagen, haben Sie steif und fest behauptet, Earl Arlington zu heißen.“
    Stephen verfluchte sich im stillen, weil er im Delirium so- viel preisgegeben hatte. Er hatte aus schmerzvoller Erfahrung gelernt, was für ein Fehler es war, auf seiner Herkunft zu behar- ren, denn diese „Lüge“ hatte ihm schon die schlimmsten Prügel eingebracht. Zum Glück hatte Meg den Sinn seiner Worte nicht verstanden und den Titel „Earl“ für einen Vornamen gehalten.
    Die Wahrheit würde sie ihm niemals glauben, zerlumpt, wie er war. Wie alle anderen auch, würde sie ihn entweder für einen Lügner oder für einen armen Irren halten. Vermutlich hätte er sich an ihrer Stelle genauso verhalten.
    Er versuchte seine Stimme so fest wie möglich klingen zu las- sen, als er sagte: „Bringen Sie mir Ihre Bibel. Ich will darauf

schwören, daß ich unter dem Namen Stephen Wingate in York- shire geboren und getauft wurde. Meine Schwester lebt noch immer dort. Und ich habe auch einen Bruder, George Wingate. Er ist Captain bei der British Army in New York.“
    Megan ließ ihn nicht aus den Augen. Man sah ihr an, wie ver- wirrt und verunsichert sie war. „Weshalb sind Sie nach Amerika gekommen?“
    „Mir blieb keine Wahl“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Ich kehrte gerade von einer Europareise nach England zurück, als ich in Dover überfallen und an eine Presserbande verkauft wurde. Sie haben mich an Bord einer Fregatte, der ,Sea Falcon’, gebracht. Dort habe ich viele Monate schuften müssen.“
    „Ich habe gehört, daß es ganz schrecklich sein muß, zum Dienst auf ein Schiff gepreßt zu werden. Ist es wirklich so schlimm?“
    „Noch viel schlimmer. Wenn man erst mal an Bord ist, hat man sehr wenig Aussicht, den Fuß jemals wieder an Land zu setzen. Die Offiziere gehen sehr freigebig mit der Peitsche um, und die gepreßten Seeleute müssen ackern wie die Tiere. Wen schert es schon, wenn sie dabei draufgehen? Die Presserbanden liefern ja jederzeit Nachschub. Ich wußte genau, daß mir nur die Flucht blieb, wenn ich nicht an Bord dieses Seelenverkäufers zugrunde gehen wollte. Deshalb sprang ich ins Meer, als wir in die Nähe der Küste kamen.“
    Bis hierher war alles wahr, was er ihr erzählt hatte. Stephen ließ es dabei bewenden und hoffte, sie würde glauben, er hätte das rettende Land mit eigener Kraft erreicht.
    Unglücklicherweise entsprach das nicht den Tatsachen. Er schloß die Augen bei der Erinnerung an jene unsägliche Nacht. Stephen hatte gewußt, daß das Schiff vor der Küste kreuzte, doch er hatte nicht gewußt, wie weit es noch vom Land entfernt war. Kurz vor dem Morgengrauen hatte er in der Ferne Lichter blinken sehen und geglaubt, daß dort schon der rettende Strand sei. Er sprang über Bord und schwamm mit aller Kraft auf die Lichter zu. Er war ein guter Schwimmer und davon überzeugt, das Festland erreichen zu können.
    Erst als er schon im Wasser war, mußte er feststellen, daß die Lichter, die er gesehen hatte, zu einem vorbeifahrenden Schiff gehörten und daß das Land noch mehrere Meilen entfernt war. Das Schiff hielt auf ihn zu, und die Mannschaft entdeckte ihn und fischte ihn aus dem Wasser.

Als die Seeleute ihn an Bord hievten, hielt er das für den größten Glücksfall seines

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