Marlene Suson 3
Er war ein tyrannischer Prahlhans mit einem Hang zur Grau- samkeit. Ich wünschte mir so oft, James würde der nächste Earl sein, und nicht Basil. Ich ... ich hielt mich für einen schlechten Vater, weil ich so empfand. Jetzt wird mir klar, daß Basil seinem leiblichen Vater nachgerät. Ich habe Bolton immer verabscheut. Er war ein böser, brutaler Mann.“
Der Earl zog die Decke höher herauf, als wäre ihm kalt. „Ich habe Gerüchte gehört über ihn und deine Mutter, doch ich habe es
nicht geglaubt. Hätte ich es nur getan.“ Seine Stimme klang bit- ter. „Das erklärt auch, weshalb unsere Beziehung so unglücklich war.“
Zum erstenmal sah Daniela die Ehe ihrer Eltern so, wie sie gewesen sein mußte, und nicht, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie hatte immer geglaubt, ihr Vater werfe ihr vor, daß sie ihn seiner Frau und damit seines Glückes beraubt hatte.
Der Earl sah zu Morgan auf. „Wer sind Sie, und weshalb haben Sie meine Tochter herbegleitet?“
„Ich bin Lord Morgan Parnell und bin gekommen, um Sie um die Hand Ihrer Tochter zu bitten, Mylord.“
„Morgan!“ rief Daniela schockiert. Er hatte ihr verschwiegen, daß das seine Absicht gewesen war.
„Parnell“, wiederholte der Earl nachdenklich. „Sind Sie mit dem Duke of Westleigh verwandt?“
„Ich bin sein jüngerer Bruder.“
Danielas Vater wirkte plötzlich, als wäre ihm eine große Last von den Schultern genommen.
„Habe ich Ihr Einverständnis, Ihre Tochter zu heiraten, Sir?“ fragte Morgan.
„Gewiß, mein Sohn, selbstverständlich“, versicherte der Earl mit einem Anflug seiner früheren Jovialität.
„Papa!“ rief Daniela aufgebracht. „Ich will ihn aber nicht heiraten!“ Das war eine Lüge. Sie wollte schon, doch der Preis, den Morgan dafür zahlen müßte, war einfach zu hoch.
Ihr Vater bedachte sie mit einem tadelnden Blick. „Sei keine Gans, Daniela. Eine bessere Partie könntest du gar nicht machen. Ich habe bezweifelt, daß du überhaupt je heiraten würdest, und es wäre mir nie in den Sinn gekommen, daß du es obendrein so gut treffen könntest. Jetzt stellst du sogar deine Schwestern in den Schatten, die sich durchaus vorteilhaft verheiratet haben.“
Bestürzt sah Daniela ihren Vater an. Er kümmerte sich über- haupt nicht um ihre Gefühle. Es ging ihm nur um den Presti- gegewinn, den eine Verbindung mit den Parnells brachte. Das erschien ihm so wünschenswert, daß er sogar vergaß, über den Ehevertrag zu sprechen. Und natürlich erwartete er, daß Daniela von dem Antrag genauso entzückt war wie er.
Sie wandte sich ab, um ihren Schmerz zu verbergen.
Morgan nahm ihren Arm, als spürte er, wie traurig sie war. „Ich denke, wir haben deinem Vater jetzt genug zugemutet. Er wird müde sein. Wir sollten lieber gehen.“
„Vielleicht möchte Papa, daß ich bleibe und bei seiner Pflege helfe“, erbot Daniela sich.
In Morgans Augen flackerte es belustigt auf. „Ich bin sicher, seine Pflegerin kümmert sich vorbildlich um ihn.“
Er betonte das Wort „Pflegerin“ so eigenartig, daß Daniela ihn verwirrt ansah.
„Ja, ja, das tut sie“, bekräftigte ihr Vater rasch und streifte Morgan mit einem dankbaren Blick. „Du brauchst dich nicht im mindesten um mich zu sorgen, Daniela. Ich bin in guten Händen und werde bestens versorgt. Ich wünsche dir einen guten Tag, Daniela, und auch Ihnen, Lord Morgan.“
Als Morgan Daniela zu der draußen wartenden Kutsche führte, sagte er: „Siehst du, dein Vater hat dich gar nicht gehaßt, Daniela.“
„0 ja, er liebt mich so sehr, daß es ihn nicht einmal kümmert, ob ich in London ein Dach über dem Kopf habe“, gab sie bitter zurück. „Ich ... ich hoffte, er würde sich freuen, mich bei sich zu haben.“
„Vielleicht würde er das ja auch.“ Morgan half ihr in die Kutsche und stieg selbst ein.
„Dann hätte er es bestimmt gesagt.“
„Und was sollte er dann mit Marguerite tun?“
„Sie könnte mir bei Papas Pflege helfen.“
Morgan nahm Danielas Hand und drückte sie. „Sie ist nicht seine Pflegerin, du Unschuldslamm. Sie ist seine Mätresse und wahrlich keine Dame von Stand. Ein Gentleman wird niemals seine unverheiratete Tochter mit seiner Mätresse unter einem Dach leben lassen. Deshalb hat er dich nicht aufgefordert.“
Daniela spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Sie sah ein, daß Morgan die Rolle, die Marguerite im Leben ihres Vaters spielte, völlig richtig beurteilte.
„Du bist bezaubernd, wenn du errötest, mein
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