Mars Trilogie 1 - Roter Mars
Gehrohr, das über den Rand verlief. Und als die neuen Besucher das Rohr hinab zur Zeltschleuse gingen und dann hindurch und drin waren - ja, es waren Hiroko, Michel, Evgenia, Iwao, Gene, Ellen, Rya, Raul und eine ganze Schar Jugendlicher.
Schreie und Rufe drangen durch die Luft, Menschen fielen sich in die Arme, einige weinten; und es gab eine Menge ärgerlicher Vorwürfe. John konnte nicht umhin, Hiroko an sich zu drücken, als er eine Gelegenheit bekam nach allen diesen Stunden im Rover, wo er sich Sorgen machte und wünschte, mit ihr sprechen zu können. Jetzt packte er sie bei den Schultern und schüttelte sie fast. Heiße Worte wollten ihm aus der Kehle strömen; aber ihr grinsendes Gesicht glich so sehr dem, das er in Erinnerung hatte, und dennoch nicht. Ihr Gesicht war schmaler und faltiger, nicht sie und doch deutlich sie. Ihr Gesicht verschwamm ihm vor den Augen zwischen dem, was er zu sehen erwartet hatte, und dem, was er jetzt sah. Er war durch diese halluzinatorische Undeutlichkeit (auch in seinen Gefühlen) so verwirrt, daß er nur sagte: »Oh, ich habe mir so gewünscht, mit dir zu reden!«
»Und ich mit dir«, sagte sie, obwohl es bei dem allgemeinen Lärm kaum zu hören war. Nadia vermittelte zwischen Maya und Michael, denn Maya brüllte immer wieder: »Warum hast du es mir nicht gesagt?«, ehe sie in Tränen ausbrach. John wurde dadurch abgelenkt und sah dann Arkadys Gesicht über Hirokos Schulter mit einer Miene, die sagte: Fragen werden später beantwortet werden; und er verlor seinen Gedankenfaden. Es würden manche harte Sachen gesagt werden müssen - aber jedenfalls waren sie hier! Unten in den Zelten war der Geräuschpegel um zwanzig Dezibel gestiegen. Die Leute feierten ihre Wiedervereinigung.
Spät am Nachmittag versammelte John die Ersten Hundert, die jetzt knapp sechzig zählten. Sie kamen von selbst in dem höchsten Zelt zusammen und schauten über die weiter unten und das Land dahinter hinab.
Es war alles so viel größer als Underhill und die enge steinige Ebene darum herum. Alles hatte sich verändert, wie es schien. Die Welt und ihre Zivilisation waren viel größer und komplizierter geworden. Und dennoch standen sie jetzt hier. Die ach so vertrauten Gesichter verändert, gealtert, wie menschliche Gesichter altern. Die Zeit formte sie mit Erosion, als ob sie seit geologischen Zeiträumen gelebt hätten, und gab ihnen einen wissenden Ausdruck, als ob man die Wasserreservoire hinter ihren Augen erkennen könnte. Die meisten von ihnen waren jetzt in ihren siebziger Jahren. Und die Welt war in der Tat größer auf vielfache Weise. Schließlich war es jetzt durchaus möglich, daß es ihnen beschieden wäre, einander noch viel mehr altern zu sehen, wenn sie Glück hatten. Das war ein eigenartiges Gefühl.
So drängten sie sich durcheinander, schauten auf die Leute in den Zelten weiter unten und dahinter auf den bunt orangefarbenen Teppich des Planeten. Und die Konversation ging in raschen chaotischen Wellen hierhin und dorthin und erzeugte Überlagerungseffekte, so daß manchmal alle zugleich still waren und beisammen standen, verwundert, betäubt oder wie Delphine grinsend. In den Zelten unten schauten die Leute gelegentlich durch die Plastikbögen zu ihnen herauf, um einen Blick auf ein so historisches Treffen zu erhäschen.
Schließlich setzten sie sich in unordentlich herumstehende Stühle und reichten Käse, Kekse und Flaschen mit Rotwein herum. John lehnte sich zurück und schaute sich um. Arkady hatte einen Arm über Mayas Schultern gelegt, den anderen über die Nadias, und alle drei lachten über etwas, das Maya gesagt hatte. Sax zwinkerte vergnügt wie eine Eule, und Hiroko strahlte. John hatte in den früheren Jahren nie diesen Gesichtsausdruck bei ihr gesehen. Es war ein Jammer, eine solche Stimmung zu stören, aber es würde nie wieder eine gute Gelegenheit geben, und die Stimmung würde zurückkehren. Also sagte er in einem stillem Moment laut und deutlich zu Sax: »Ich kann dir sagen, wer hinter der Sabotage steckt.«
Sax zwinkerte: »Kannst du das?«
»Ja.« Er sah Hiroko ins Auge. »Hiroko, es sind deine Leute.«
Das ernüchterte sie, obwohl sie immer noch lächelte. Aber es war das zurückhaltende private Lächeln von einst. »Nein, nein«, sagte sie sanft und schüttelte den Kopf. »Du weißt, daß ich das nicht tun würde.«
»Das habe ich auch nicht gemeint. Aber deine Leute tun es ohne dein Wissen. Praktisch deine Kinder. Arbeiten mit dem Cojoten
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