Mars Trilogie 1 - Roter Mars
sangen noch die Melodie der Namen. Immer mehr stimmten in das Ende des Countdowns ein. Als sie bei den letzten zehn Sekunden waren, brüllten sie die rückläufige Zahlenfolge aus Leibeskräften. Dann kam »Null!« und während dreier atemloser Sekunden geschah nichts. Dann schoß eine weiße Kugel mit einer Schleppe aus weißem Feuer über dem Südwesthonzont empor, so groß wie der Komet im Teppich von Bayeux und heller als alle Monde, Spiegel und Sterne zusammengenommen. Brennendes Eis blutete über den Himmel, weiß auf schwarz, schnell und niedrig vorbeirasend, so niedrig, daß es nicht viel höher war, als sie sich auf Olympus befanden, so niedrig, daß sie sehen konnten, wie weiße Brocken durch den Schweif zurückbrachen und wie riesige Funken abfielen. Dann brach das Ding halbwegs über dem Himmel in Stücke, und die ganze Sammlung glühender Blitze taumelte nach Osten und zerstreute sich wie Schrot. Mit einemmal erzitterten alle Sterne. Das war der erste akustische Knall, der die Zelte traf und schüttelte. Ein zweiter Knall folgte, und die Phosphorstücke hüpften wild für einen Moment, als sie vom Himmel heruntertorkelten und über dem Südosthorizont verschwanden. Ihre Feuerdrachenschwänze folgten ihnen in den Mars hinein und verschwanden auch. Plötzlich war es wieder dunkel, und der gewöhnliche Nachthimmel stand über ihnen, als wäre nichts geschehen. Nur daß die Sterne flimmerten.
Nach all dieser Erwartung hatte die Passage nicht länger als drei oder vier Minuten gedauert. Die Festgäste waren bei dem Anblick zumeist still geworden, aber viele hatten unwillkürlich beim Anblick des Auseinanderbrechens geschrien wie bei einem Feuerwerk. Und dann wieder beim Eintreffen der beiden großen Knalle. Jetzt in der alten Dunkelheit war die Stille vollständig, und die Leute standen ruhig da. Was konnte man nach so etwas auch tun?
Aber da war Hiroko, die sich ihren Weg durch die Zelte bahnte bis zu dem, wo John und Maya und Nadia und Arkady beisammenstanden. Unterwegs rezitierte sie in einem Ton, der ruhig war, aber durch jedes Zelt hallte, das sie passierte: »Al-Qahira, Ares, Auqakuh, Bahram. Harmakhis, Hrad, Huo Hsing, Kasei. Ma'adim, Maja, Mamers, Mangala, Mawrth, Nirgal, Shalbatanu, Simud und Tiu.« Sie ging durch die Menge direkt zu John, und vor ihm ergriff sie seine Rechte, zog sie hoch und rief plötzlich: »John Boone! John Boone!«
Und dann jubelten alle und schrien: »Boone! Boone! Boone!« Und andere riefen: »Mars! Mars! Mars!«
Johns Gesicht erglühte wie vorhin der Meteorit, und er fühlte sich benommen, als ob ihm ein Stück davon auf den Kopf gefallen wäre. Seine alten Freunde lachten ihn an, und Arkady schrie: »Reden!« mit dem, was er für einen amerikanischen Akzent hielt: »Spiitsch, spiitsch!«
Andere nahmen das auf, und nach einiger Zeit ebbte der Lärm ab, und sie sahen ihn erwartungsvoll an. Beim Anblick seiner erstaunten Miene wurden sie von Lachen erfaßt. Hiroko ließ seine Hand los, und er hob auch die andere Hand hilflos hoch und streckte beide offenen Handflächen über den Kopf.
Er rief: »Freunde, was kann ich sagen? Das ist das Ding an sich. Dafür gibt es keine Worte. Worte dafür müssen erst noch gefunden werden.«
Aber sein Blut war von Adrenalin aufgeputscht, von Tequila, Omegendorph und Glück; und ohne es zu wollen, strömten aus ihm die Worte wie schon so oft. Er sagte; »Schaut, hier sind wir auf dem Mars!« (Gelächter.) »Das ist unsere Gabe, und es ist eine große Gabe, der Grund, weshalb wir alle unser Leben dafür geben müssen, daß der Zyklus weitergeht. Es ist wie bei der Öko-Ökonomie, wo das, was man von dem System nimmt, ausgeglichen werden muß durch das, was man ihm gibt. Balanciert oder ubertroffen, um jenen anti-entropischen Aufschwung zu geben, der alles kreative Leben kennzeichnet und besonders diesen Schritt auf eine neue Welt, diesen Ort, der weder Natur noch Kultur ist, die Umwandlung eines Planeten in eine Welt und dann in eine Heimat. Wir wissen jetzt alle, daß unterschiedliche Leute unterschiedliche Gründe dafür haben, daß sie hier sind; und ebenso wichtig ist, daß die Leute, die uns geschickt haben, unterschiedliche Gründe dafür hatten; und jetzt beginnen wir, die durch solche Differenzen verursachten Konflikte zu sehen. Am Horizont brauen sich Stürme zusammen, gefährliche Meteore fliegen heran, und manche von ihnen werden uns voll treffen, anstatt uns über die Köpfe zu streifen, wie diese weiße Glut es eben
Weitere Kostenlose Bücher