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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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ein. Nazik trug ein langes weißes Kleid im traditionellen Beduinenstil mit einem blauen Bund und war barhäuptig. Ihr dichtes schwarzes Haar war mit einem flachen Kamm zurückgehalten und hing ihr dann den Rücken hinab. Frank hatte genug gelesen, um zu wissen, daß das alles falsch war. Bei den Beduinen von Awlad 'Ali trugen die Frauen schwarze Gewänder und rote Bauchbinden, um ihre Unreinheit, Sexualität und moralische Unterlegenheit anzuzeigen. Sie hielten den Kopf bedeckt und benutzten den Schleier in einem komplizierten Code von Bescheidenheit. Alles, um sich männlicher Macht zu beugen; so daß Naziks Bekleidung ihre Mutter und Großmütter schockiert hätte, selbst wenn sie sie wie jetzt vor einem Außenseiter trug, auf den es eigentlich nicht ankam. Aber wenn er genug wußte, um zu verstehen, dann war das ein Zeichen.
    Und dann, als gerade alle lachten, erhob sich Nazik auf Zeyks Bitte hin, um das Dessert zu bringen, und sagte zu Zeyk lachend: »Jawohl, Herr.«
    Zeyk runzelte die Stirn, sagte: »Geh, Sklavin!« und gab ihr einen Stoß, und sie schnappte mit den Zähnen nach ihm. Sie lachten, als Frank heftig errötete, und sahen, daß er verstand. Sie machten sich über ihn lustig und brachen auch das Tabu der Beduinen gegen das Zeigen ehelicher Zuneigung jeder Art vor jedermann. Nazik kam herüber und legte ihm eine Fingerspitze auf die Schulter mit den Worten: »Wir scherzen nur mit dir, mußt du wissen. Wir Frauen haben von deiner Äußerung vor den Männern gehört und lieben dich dafür. Du könntest bei uns so viele Frauen haben wie ein osmanischer Sultan. Denn in dem, was du gesagt hast, liegt einige Wahrheit — zu viel.« Sie nickte ernsthaft und zeigte mit einem Finger auf Zeyk, der sich das Grinsen verkniff und auch nickte. Nazik fuhr fort: »Aber von den Menschen hängt in den Gesetzen so viel ab, findest du nicht auch? Die Männer in dieser Karawane sind gute Männer, kluge Männer. Und die Frauen sind noch klüger, denn wir haben sie vollkommen übernommen.« Zeyk hob die Augenbrauen, und Nazik lachte. »Nein, in Wirklichkeit haben wir uns nur unseren Anteil genommen. Ernsthaft.«
    »Aber wo seid ihr denn?« fragte Frank. »Ich meine, wo sind alle die Frauen der Karawane tagsüber? Was tut ihr?«
    »Wir arbeiten«, sagte Nazik einfach. »Sieh es dir an! Du wirst uns sehen.«
    »Ihr macht alle Arten von Arbeit?«
    »O ja. Vielleicht nicht da, wo du uns viel sehen kannst. Es gibt noch gewisse - Bräuche, Gewohnheiten. Wir leben zurückgezogen, getrennt, haben unsere eigene Welt. Das ist vielleicht nicht gut. Wir Bedus schließen uns gern in Gruppen zusammen, Männer und Frauen. Wir haben unsere Traditionen, siehst du, und die dauern an. Aber hier ist vieles dabei, sich zu ändern, schnell zu ändern. Also ist dies die nächste Stufe des islamischen Weges. Wir sind...« Sie suchte nach dem Wort.
    »Utopia«, schlug Seyk vor. »Das islamische Utopia.«
    Sie wedelte zweifelnd mit der Hand und sagte: »Geschichte. Der Hadsch nach Utopia.«
    Zeyk lachte vergnügt. »Aber der Hadsch ist das Ziel. Das ist es, was uns die Mullahs immer lehren. So sind wir schon da, nicht?« Und er und seine Frau lachten sich an, eine private Kommunikation mit hoher Dichte an Informationsaustausch und ein Lächeln, das sie einen Moment mit Frank teilten. Und dann wandte sich ihr Gespräch anderen Themen zu.
    Praktisch gesehen war Al-Qahira der lebendig gewordene panarabische Traum, da alle Nationen für die Mahdscharis Geld und Menschen beigesteuert hatten. Die Mischung arabischer Nationen auf dem Mars war vollkommen, aber die individuellen Karawanen gingen etwas ihre eigenen Wege. Immerhin vermischten sie sich. Und ob sie aus den ölreichen oder ölarmen Nationen kamen, schien keine Rolle zu spielen. Hier unter den Fremden waren sie alle Vettern. Syrer, Iraker, Ägypter und Saudis, Golfanrainer, Palästinenser, Libyer und Beduinen. Alles Vettern.
    Frank begann sich besser zu fühlen. Er schlief wieder tief, jeden Tag erfrischt durch den Zeitrutsch, etwas lässig im ganztägigen Rhythmus, der Körper nach seiner Eigenzeit abgeschaltet. Tatsächlich hatte alles Leben in der Karawane ein anderes Zeitmaß, als ob sogar der Augenblick gedehnt wäre. Er fühlte, daß man Zeit erübrigen konnte, daß es nie einen Grund zur Eile gab.
    Und die Jahreszeiten glitten dahin. Die Sonne ging jeden Abend fast an der gleichen Stelle unter, die sich nur ganz langsam verschob. Sie lebten jetzt ganz nach dem Marskalender. Er war das

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