Mars Trilogie 1 - Roter Mars
zu den Kalksteinhöhlen in Luray, jetzt eine Touristenattraktion, und nahm aus einer Laune heraus an der Führung teil. Jeder Stalaktit und Stalagmit war von geisterhaften farbigen Lampen beleuchtet. An einigen waren Hämmerchen befestigt, und ein Organist konnte darauf spielen wie mit einem Glockenspiel. Die wohltemperierte Höhle! Er mußte weiter hinaus in die Finsternis gehen und sich einen Ärmel in den Mund stopfen, damit ihn die Touristen nicht lachen hören konnten.
Dann parkte er an einem Aussichtspunkt, ging in den Wald hinein und setzte sich zwischen den Wurzeln eines großen Baumes hin. Niemand in der Runde, eine warme Herbstnacht, die Erde dunkel und wie ein Pelz von Bäumen bedeckt. Zikaden ließen ihr eigenartiges Lied ertönen und Grillen stießen ihre letzten Klageschreie aus im Vorgefühl des ersten Frostes, der sie töten würde. Er fühlte sich so sonderbar... Konnte er diese Welt wirklich verlassen? Während er so auf der Erde saß, hatte er sich gewünscht, er könnte wie ein Wechselbalg in eine Felsspalte rutschen und wieder herauskommen als etwas Besseres, etwas Mächtiges, Edles, Langlebiges - so etwas wie ein Baum. Aber natürlich geschah nichts. Er lag auf dem Boden, schon Von ihm abgeschnitten. Schon ein Marsmensch.
Und er erwachte und war den ganzen Rest des Tages verstört.
Danach, noch schlimmer, träumte er von John. Er träumte von der Nacht, da er in Washington gesessen und John im Fernsehen gesehen hatte, wie er zum ersten Mal auf den Mars hinausging, dicht gefolgt von den anderen drei. Frank verließ die offizielle Feier bei der NASA und ging durch die Straßen in einer heißen Nacht von D.C. im Sommer 2020. Es hatte zu seinem Plan gehört, John die erste Landung machen zu lassen. Er hatte ihm das zukommen lassen, wie man eine Königin im Schach opfert, weil jene erste Crew auf der Reise von der Strahlung geröstet werden würde und gemäß den Vorschriften nach ihrer Rückkehr für immer auf dem Boden bleiben müßte. Und dann wurde das Feld für die nächste Ausreise freigegeben, für die Touristen, die endgültig dort bleiben würden. Das war die eigentliche Aufgabe und die, welche Frank zu leiten gedachte.
Aber in jener historischen Nacht befand er sich in miserabler Stimmung. Er kehrte zu seinem Apartment nahe Dupont Circle zurück und ging dann wieder los ohne sein FBI-Abzeichen, schlüpfte in eine dunkle Bar, nahm Platz und sah sich über die Köpfe der Barkeeper das Fernsehen an. Das Licht des Mars strömte aus dem Fernseher und rötete den dunklen Raum. Er wurde betrunken und hörte sich Johns alberne Rede an. Seine Stimmung wurde immer schlechter. In der Bar war es laut, und die Leute paßten nicht auf. Nicht, daß man die Landung nicht beachtet hätte; aber die stellte hier nur eine Art von Unterhaltung dar, auf dem gleichen Niveau wie das Spiel der Bullets, auf das ein Barkeeper immer umschaltete. Dann wieder zurück auf die Szene in Chryse Planitia. Sein Nachbar schimpfte darüber. »Basketball müßte auf dem Mars 'ne tolle Sache sein«, sagte Frank in dem Florida-Akzent, den er längst abgelegt hatte.
»Müssen den Reifen höher legen, sonst brechen sie sich den Hals.«
»Sicher, aber denk an die Sprünge. Leicht zwanzig Fuß.«
»Na ja, auch ihr weißen Jungs springt da hoch. Aber bleibt lieber vom Korb weg, sonst kriegt ihr die gleichen Schwierigkeiten wie hier.«
Frank lachte. Aber draußen war es heiß, eine dumpfe D. C.-Sommernacht, und er ging nach Hause in einer miserablen Stimmung, die mit jedem Schritt noch schlimmer wurde. Als er auf einen Bettler vor Dupont traf, zückte er eine Zehn-Dollarnote und warf sie dem Kerl zu. Als der hinlangte, stieß er ihn fort und rief: »Hau ab! Such dir Arbeit!« Aber dann kamen Leute aus der Metro, und er eilte davon, schockiert und wütend. Bettler sackten in den Eingängen zusammen. Da waren Menschen auf dem Mars, und in der Hauptstadt der Nation gab es Bettler, an denen alle Rechtskundigen täglich vorbeigingen, deren Gerede von Freiheit und Gerechtigkeit nur eine Tarnung ihrer Gier war. »Wir werden es auf dem Mars anders machen«, sagte Frank giftig. Und ganz plötzlich wünschte er sich, dort zu sein, ohne umständliche Jahre des Wartens und Kämpfens. »Besorg dir einen verdammten Job«, brüllte er einen anderen obdachlosen Mann an. Dann weiter zu seinem Appartementhaus, hinter dem im Foyer am Pult gelangweilte Sicherheitsleute saßen, die ihr ganzes Leben da mit Nichtstun verbrachten. Oben angekommen,
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