Mars Trilogie 1 - Roter Mars
nicht fraglich gewesen wäre. Aber Arkady und Nadia waren nicht in der kleinen Schar, die sie begrüßte. Statt dessen war es Alexander Zhalin. Im Büro des Stadtverwalters riefen sie Arkady über eine Videoverbindung an. Nach dem Sonnenlicht hinter ihm zu urteilen, befand er sich viele Kilometer weit im Osten. Und Nadia, hieß es, wäre überhaupt nie in Nicosia gewesen.
Arkady sah so aus wie immer - freundlich und entspannt. »Das ist Wahnsinn«, sagte Frank zu ihm, wütend, daß er ihn nicht in Person erreicht hatte. »Du kannst nicht hoffen, Erfolg zu haben.«
»O doch«, sagte Arkady. »Wir können.« Sein üppiger roter und weißer Bart war ein deutliches Revolutionsabzeichen, als wäre er der junge Fidel Castro und im Begriff, Havanna einzunehmen. »Natürlich wäre es mit eurer Hilfe leichter, Frank. Denk darüber nach!«
Ehe Frank mehr sagen konnte, erweckte jemand außerhalb des Bildschirms Arkadys Aufmerksamkeit. Eine geflüsterte Konversation auf russisch, und dann sah Arkady ihn wieder an. Er sagte: »Entschuldigung, ich muß mich um etwas kümmern. Ich komme so schnell wie möglich wieder zu dir zurück.«
»Geh nicht!« brüllte Frank, aber die Verbindung war schon getrennt. »Gottverdammt!«
Nadia kam in die Leitung. Sie war in Burroughs gewesen, war aber in die Verbindung eingeschaltet gewesen, wie es schien. Im Gegensatz zu Arkady war sie streng, brüsk und mürrisch. »Du kannst nicht das unterstützen, was er tut!« rief Frank.
»Nein«, sagte Nadia grimmig. »Wir sprechen nicht. Wir haben noch diesen Telefonkontakt, daher weiß ich, wo du warst; aber wir benutzen ihn nicht mehr direkt. Keinen Sinn.«
»Du kannst ihn nicht beeinflussen?« fragte Maya.
»Nein.«
Frank sah, daß es Maya schwerfiel, das zu glauben, und er mußte fast darüber lachen. Keinen Mann beeinflussen und manipulieren? Nadia hatte doch damit nie Probleme gehabt.
In dieser Nacht blieben sie in einem Wohnheim nahe dem Bahnhof. Nach dem Abendessen ging Maya wieder zum Büro des Stadtverwalters, um mit Alexander, Dmitri und Elena zu sprechen. Frank war nicht interessiert. Es war Zeitvergeudung. Er ging ruhelos um die alte Stadt herum, durch Gassen, die zur Kuppelwand führten, und erinnerte sich an jene Nacht, die so lange zurücklag. Tatsächlich nur neun Jahre, obwohl es ihm wie hundert vorkam. Nicosia war in diesen Tagen nicht sehr ansehnlich. Der Park am westlichen Ende bot noch einen guten Anblick im ganzen, aber es war so finster, daß er kaum etwas erkennen konnte.
In dem Sykomorenhain, der jetzt voll ausgewachsen war, kam er an einem kleinen Mann vorbei, der in umgekehrter Richtung ging. Der rief: »Chalmers!«
Frank wandte sich um. Der Mann hatte ein schmales Gesicht, lange verfilzte Haarfransen und dunkle Haut. Aber als er ihn erblickte, erschauerte er und platzte heraus: »Ja?«
Der Mann schaute ihn an und sagte: »Du kennst mich wohl nicht?«
»Nein. Wer bist du?«
Das Grinsen des Mannes war schief, als ob sein Gesicht durch ein gebrochenes Kiefergelenk gehandicapt wäre. Bei der Straßenbeleuchtung sah es undeutlich und entstellt aus.
»Wer bist du?« fragte Frank wieder.
Der Mann hob den Finger. »Als wir uns das letzte Mal begegneten, hast du die Stadt kaputt gemacht. Heute nacht bin ich an der Reihe. Ha!« Er ging lachend davon. Jedes scharfe »Ha!« war höher als das vorige.
Als er kurz darauf ins Stadtbüro kam, ergriff Maya ihn am Arm. »Ich habe mir Sorgen gemacht. Du solltest nicht allein in dieser Stadt umhergehen.«
»Halt den Mund!« Er ging ans Telefon und rief die Versorgungszentrale. Alles war normal. Er rief die UNOMA-Polizei an und sagte den Leuten, sie sollten eine bewaffnete Wache an der Zentrale und am Bahnhof in Stellung bringen. Er wiederholte die Anordnung noch für jemanden, der höhere Befugnisse hatte; aber es schien, als ob er bis zu dem neuen Manager gehen müßte, um eine Bestätigung zu erhalten, als der Schirm leer wurde. Unter den Füßen bebte es, und alle Alarmglocken der Stadt schrillten zugleich los.
Dann gab es einen heftigen Stoß. Alle Türen schlössen sich zischend. Das Gebäude schloß sich hermetisch, was bedeutete, daß der Druck draußen jäh gefallen war. Frank und Maya rannten ans Fenster und schauten hinaus. Die Kuppel über Nicosia war heruntergekommen. An manchen Stellen hatte sie sich wie eine Kunststoff-Folie über die höchsten Dächer gebreitet, anderswo blies der Wind sie fort. Leute unten auf den Straßen klopften an Türen, rannten,
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