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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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viele Leute hatten John Boone unterschätzt - das war selbst Chalmers öfters passiert. Vor ihm erschien ein Bild von John im Weißen Hause, mit einem durch Überzeugung geröteten Gesicht, sein widerspenstiges blondes Haar wild flatternd, wobei die Sonne in die Fenster des Oval Office schien und ihn beleuchtete, wie er mit den Händen gestikulierte und im Raum hin und her schritt, ständig redend, während der Präsident nickte und dessen Adjutanten aufpaßten, sich überlegend, wie sie dies elektrisierende Charisma aufnehmen sollten. Oh, in jenen Tagen waren sie beide, Chalmers und Boone, in Hochform gewesen: Frank mit den Ideen und John als der Frontmann, mit einem Schwung, der praktisch unaufhaltsam war. Es wäre wirklich eher eine Sache von Entgleisung gewesen.
    Selim el-Hajils Spiegelung erschien zwischen den Stiefeln.
    »Ist es wahr« fragte er.
    »Ist was wahr?« sagte Frank knapp.
    »Ist Boone anti-arabisch?«
    »Was meinst du?«
    »War er es, der die Genehmigung zum Bau der Moschee auf Phobos blockiert hat?«
    »Er ist ein mächtiger Mann.«
    Der junge Saudi verzog das Gesicht. »Der mächtigste Mann auf dem Mars, und er will noch mehr! Er will König sein!« Selim ballte die Faust und schlug damit in die andere Hand. Er war schlanker als die anderen Araber, mit einem schwachen Kinn, und sein schütterer Schnurrbart bedeckte einen kleinen Mund.
    Frank sagte: »Bald kommt der Vertrag zur Erneuerung. Und Boones Koalition umgeht mich.« Er knirschte mit den Zähnen. »Ich kenne ihre Pläne nicht, werde das aber heute abend herausfinden. Du kannst dir immerhin vorstellen, wie sie sein werden. Sicher westliche Tendenzen. Er könnte seine Zustimmung für einen neuen Vertrag hinausschieben, bis er garantiert, daß alle neuen Siedlungen nur mit den Unterschriften der ursprünglichen Signatare zustande kommen.« Selim erschauerte, und Frank drängte: »Das ist es, was er will. Und es ist sehr wahrscheinlich, daß er es bekommen könnte; denn seine neue Koalition macht ihn noch mächtiger denn je. Das könnte ein Ende für Besiedlungen ohne Nichtsignatare bedeuten. Ihr würdet zu Gastwissenschaftlern. Oder zurückgeschickt.«
    Im Fenster wirkte die Spiegelung von Selims Gesicht wie eine Art wütender Maske. »Battal, battal«, murmelte er. Sehr schlimm, sehr schlimm. Er rang die Hände wie außer Kontrolle und brummte etwas über den Koran oder Camus, Persepolis oder den Pfauenthron - nervöse Hinweise ohne logischen Zusammenhang. Er stammelte.
    Chalmers sagte rauh: »Reden bedeutet nichts. Wenn es so weit kommt, spielt nur Handeln eine Rolle.«
    Das ließ den jungen Araber verstummen. Schließlich sagte er: »Ich kann mir nicht sicher sein.«
    Frank knuffte ihn in den Arm und sah, wie ein Schock durch den Mann lief. »Es ist dein Volk, über das wir reden. Es ist dieser Planet, über den wir reden.«
    Selims Mund verschwand unter seinem Schnurrbart. Nach einiger Zeit sagte er: »Das ist wahr.«
    Frank erwiderte nichts. Sie blickten gemeinsam in das Fenster, als ob sie Stiefel beurteilten.
    Endlich hob Frank die Hand und sagte ruhig: »Ich werde wieder mit Boone reden. Heute abend. Er reist morgen ab. Ich werde versuchen, zu ihm zu sprechen und ihn zur Vernunft zu bringen. Ich bezweifle, ob das etwas bringt. Das war noch nie der Fall. Aber ich werde es versuchen. Danach... sollten wir uns treffen.«
    »Ja.«
    »Also im Park auf dem südlichsten Weg. Um elf Uhr.«
    Selim nickte.
    Chalmers durchbohrte ihn mit einem Blick. »Reden bringt nichts«, sagte er und ging fort.
     
    Der nächste Boulevard, den Chalmers erreichte, war voller Leute, die sich vor zur Straße offenen Bars drängten oder vor Kiosken, wo es Kuskus und Bratwurst gab - sowohl arabisch wie schweizerisch. Das schien eine seltsame Kombination zu sein, vertrug sich aber gut zusammen.
    An diesem Abend verteilten einige Schweizer Gesichtsmasken aus der Tür eines Apartments. Anscheinend feierten sie dieses Stadtfest als eine Fastnacht oder Mardi gras, mit Masken, Musik und jeder Art sozialer Umkehrung, genau so, wie es daheim in jenen wilden Februarnächten in Basel, Zürich und Luzern üblich war... John reihte sich impulsiv der Schlange ein. »Um jeden tiefen Geist wächst immer eine Maske«, sagte er zu zwei jungen Frauen, die vor ihm standen. Die nickten höflich und nahmen dann wieder ihre Konversation in Schwyzerdütsch auf, einem gutturalen Dialekt, der nie aufgeschrieben wurde, einem privaten Code, der sogar für Deutsche unverständlich war. Die

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