Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
in der Nähe zu unvorstellbarer Höhe auf. Aber hinter ihm war etwas, das größer und schneller war als er, mit Flügeln, die laut schlugen, als die Kreatur aus der Sonne kam, große Krallen nach ihm ausgestreckt. Er zeigte auf dieses fliegende Wesen, und aus seinen Fingerspitzen schössen Garben von Blitzen, die das Wesen abdrehen ließen. Es stieg zu einem neuen Angriff auf, als er sich wach rüttelte. Seine Finger pulsierten, und sein Herz klopfte wie die Wellenmaschine, ka-thunk ka-thunk, ka-thunk.
Gleich am nächsten Nachmittag erzeugte die Maschine zu große Wellen, wie es Jackie ausdrückte. Sie spielten am Strand und dachten, sie hätten die großen Brecher gemessen; aber dann erhob sich eine wirklich große Woge über das Eisfiligran, warf Nirgal auf die Knie und riß ihn mit unwiderstehlichem Sog das Ufer hinunter. Er strampelte und schnappte nach Luft, als er in das schrecklich kalte Wasser fiel, konnte aber nicht entkommen und wurde hinabgezogen. Dann rollte er hart im Ansturm der nächsten hereinkommenden Welle. Jackie packte ihn am Arm und Haar und zog ihn wieder ans Ufer. Harmakhis half beiden wieder auf die Füße und rief: »Seid ihr okay?« Wenn man naß wurde, galt die Regel, so schnell ins Dorf zu laufen, wie man konnte. Darum machten sich Nirgal und Jackie auf und rannten über die Dünen und den Weg zum Dorf. Der Rest der Kinder trödelte weit hinterher. Der Wind schnitt ins Mark. Sie liefen direkt zum Badehaus, platzten durch die Türen und streiften mit klammen Händen ihre Kleider ab. Dabei halfen ihnen Nadia und Sax und Michel, die darin beim Baden gewesen waren.
Als sie in die seichten Stellen des großen kommunalen Bades gescheucht wurden, erinnerte Nirgal sich an seinen Traum und sagte: »Wartet, wartet!«
Die anderen blieben verwirrt stehen. Er schloß die Augen und hielt den Atem an. Dann ergriff er Jackies kalten Unterarm. Er sah sich wieder in dem Traum und fühlte, wie er durch den Himmel schwamm. Wärme von den Fingerspitzen. Die weiße Welt in der grünen.
Er suchte nach der Stelle in der Mitte, die immer warm war, selbst jetzt, wo er so fror. Sie würde immer da sein, so lange er lebte. Er fand sie und trieb sie mit jedem Atemzug durch sein Fleisch nach außen. Das war hart, aber er fühlte, wie es funktionierte, die Wärme aus seinen Rippen wie ein Feuer ausströmte, seine Arme hinunter, seine Beine hinunter, in seine Hände und Füße. Seine linke Hand streckte er nach Jackie aus. Er betrachtete ihren nackten Körper mit der Gänsehaut und konzentrierte sich darauf, die Wärme in sie hinein zu schicken. Er zitterte jetzt leicht, aber nicht von der Kälte.
»Du bist warm«, rief Jackie.
»Fühle es!« sagte er zu ihr; und sie lehnte sich einige Momente an seinen Griff. Dann riß sie sich mit erschrockenem Gesicht los und ging in das Bad hinunter. Nirgal blieb am Rande stehen, bis sein Beben aufhörte.
»Weißt du, wie du das machst?« fragte ihn Sax. Er, Nadia und Michel sahen Nirgal mit einer merkwürdigen Miene an, der er nicht begegnen wollte.
Nirgal schüttelte den Kopf. Er setzte sich völlig erschöpft auf die Betoneinfassung des Bades und steckte die Füße ins Wasser, das sich wie flüssiges Feuer anfühlte. Fisch im Wasser, sich frei schwappend, draußen in der Luft, das Feuer im Innern, Weiß im Grün, Alchemie, hochsteigend mit Adlern... Blitze aus seinen Fingerspitzen!
D ie Leute sahen ihn an. Sogar die Zygoten warfen ihm von der Seite Blicke zu, wenn er lachte oder etwas Ungewöhnliches sagte, und sie dachten, daß er das nicht sehen würde. Am einfachsten war es, so zu tun, als ob er es nicht bemerkte. Aber das war schwierig bei den gelegentlichen Besuchern, die direkter waren. »Oh, du bist Nirgal«, sagte eine kleine rothaarige Frau. »Ich habe gehört, daß du ein aufgeweckter Junge bist.« Nirgal, der ständig an die Grenzen seines Verstehens stieß, errötete und schüttelte den Kopf, während ihn diese Frau ruhig ansah. Sie bildete sich ein Urteil, lächelte und schüttelte ihm die Hand. »Ich freue mich, dich kennenzulernen.«
Eines Tages, als sie zu fünft waren, brachte Jackie ein altes Notizbuch mit zur Schule, an einem Tag, da Maya unterrichtete. Sie ignorierte Mayas scharfen Blick und zeigte es den anderen. »Das ist aus dem Intelligenten Computer meines Großvaters. Darin steckt eine Menge von dem, was er gesagt hat. Kasei hat es mir gegeben.« Kasei war dabei, Zygote zu verlassen, um einen der anderen Zufluchtsorte aufzusuchen. Aber nicht
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