Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
leben darin und suchen Nahrung bis zum Frühling. Dann im Frühling schleppen wir einige Eisschollen durch die Mündung der Bucht hinaus auf See; und von da aus entwickeln sich die Dinge, von unten nach oben. Die Basis der Nahrungskette ist im Wasser antarktisch und auf dem Lande arktisch. Plankton, Krill, Fische und Kalmare, Weddelrobben und an Land Kaninchen und Hasen, Lemminge, Murmeltiere, Mäuse, Luchse und Rotluchse. Und die Bären. Wir machen Versuche mit Karibus, Rentieren und Wölfen; aber für Huftiere gibt es noch kein Futter. Die Bären sind erst seit ein paar Jahren draußen. Bis vor kurzem war der Luftdruck noch nicht ausreichend. Aber jetzt ist es hier wie auf viertausend Metern, und es sieht so aus, als ob die Bären ganz gut damit zurecht kämen. Sie passen sich sehr rasch an.«
»Menschen auch.«
»Nun, auf viertausend Metern haben wir noch nicht sehr viele gesehen.« Er meinte viertausend Meter über dem Meer auf der Erde. Höher als jede ständige menschliche Siedlung, wie sie sich erinnerte.
Er fuhr fort: »...Am Ende erleben wir eine Expansion des Thoraxraums, zu der muß es ja kommen...« Ein Mann, der Selbstgespräche führte. Groß, stämmig. Weißes Gelb in einem Kranz um seine kahle Platte. Schwarze Augen, die hinter runden Brillengläsern verschwammen.
»Bist du jemals Hiroko begegnet?« fragte sie.
»Hiroko Ai? Ja, einmal. Eine sympathische Frau. Ich höre, sie ist wieder auf die Erde gegangen, um ihnen zu helfen, sich der Flut anzupassen. Hast du sie gekannt?«
»Ja. Ich bin Ann Clayborne.«
»Das habe ich mir gedacht. Die Mutter von Peter Clayborne, richtig?«
»Ja.«
»Er war vor kurzem in Boone.«
»Boone?«
»Das ist die kleine Station gegenüber der Bucht. Dies hier ist Botany Bay, und die Station ist Boone Harbor. Eine Art Scherz. Offenbar gab es in Australien ein ähnliches Paar.«
»Ja.« Sie schüttelte den Kopf. John würde für immer mit ihnen sein. Und er war keineswegs der schlechteste der Geister, die sie verfolgten.
Wie zum Beispiel dieser Mann, der berühmte Tiermaler. Er klapperte und fuhrwerkte kurzsichtig in der Küche herum, setzte ihr die Suppe vor, und sie aß, wobei sie ihn verstohlen beobachtete. Er wußte, wer sie war, schien sich aber wohl zu fühlen. Er machte keinen Versuch, sich zu rechtfertigen. Sie war eine rote Areologin, und er malte die neuen Tiere des Mars. Sie arbeiteten auf dem gleichen Planeten. Aber das bedeutete nicht, daß sie Feinde waren, nicht für ihn. Er konnte ihre Existenz ohne Bosheit verkraften. Darin lag etwas Erregendes, das trotz seiner freundlichen Art durchschlug. Es war so brutal, vergessen zu sein. Trotzdem gefiel er ihr. Diese leidenschaftslose Kraft und Unbestimmtheit - irgend etwas war da. Er trödelte in seiner Küche herum, setzte sich dann hin und aß mit ihr, rasch und geräuschvoll, den Mund feucht von der klaren Brühe. Danach brachen sie von einem langen Laib Brot Stücke ab. Ann stellte Fragen über Boone Harbor.
Whitebook zeigte auf das Brot und sagte: »Es gibt dort eine gute Bäckerei und ein gutes Labor. Der Rest ist ein ganz gewöhnlicher Außenposten. Aber wir haben letztes Jahr die Kuppel abgenommen, und jetzt ist es sehr kalt, besonders im Winter. Eigentlich ist es nur der sechsundvierzigste Breitengrad; aber wir empfinden es als einen nordischen Ort. So sehr, daß man davon spricht, die Kuppel zumindest im Winter wieder aufzuspannen. Es gibt auch Leute, die sagen, wir sollten verschwinden, bis es wärmer wird.«
»Bis die Eiszeit vorüber ist?«
»Ich glaube nicht, daß es eine Eiszeit geben wird.
Dieses erste Jahr ohne die Soletta war natürlich schlimm; aber es sollten unterschiedliche Kompensationen möglich sein. Ein paar kalte Jahre, das wird alles sein.«
Er schüttelte eine seiner bekrallten Tatzen. Es könnte auch anders sein. Ann warf ihm fast ihr Stück Brot vor die Füße. Aber sie wollte ihn lieber nicht aufregen. Sie beherrschte sich zitternd.
Sie fragte: »Ist Peter noch in Boone?«
»Ich nehme es an. Vor ein paar Tagen war er noch da.«
Sie sprachen weiter über das Ökosystem Botany Bay. Ohne eine größere Fülle pflanzlichen Lebens waren Tiermaler sehr eingeschränkt. Die Gegend ähnelte in dieser Hinsicht eher der Antarktis als der Arktis. Möglicherweise könnten neue Verfahren zur Fixierung des Bodens die Ansiedlung höher entwickelter Pflanzen beschleunigen. Eben jetzt war das Land größtenteils von Flechten bewachsen. Die Tundrapflanzen würden folgen.
»Aber dies
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