Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Aufgaben zählte, die sie sich jemals gestellt hatten. Nadia war überrascht, das zu hören. Schließlich waren dies doch die Vishniac-Labors, in der Welt bei technisch getragenen Ökologien führend, die Jahrzehnte lang in einem Mohole versteckt gelebt hatten. Und Ackerkrume war - na ja - Boden. Vermutlich Dreck mit Zusätzen und Beischlägen, die man noch dazutun konnte.
Zweifellos brachte sie etwas von diesem Urteil gegenüber den Bodenforschern zum Ausdruck; und der Mann namens Arne, der sie herumführte, teilte ihr etwas gereizt mit, daß Boden wirklich sehr komplex wäre. Ungefähr fünf Gewichtsprozent davon bestand aus Lebewesen, nämlich dichte Populationen von Nematoden, Würmern, Mollusken, Arthropoden, Insekten, Arachniden, kleinen Säugetieren, Schwämmen, Protozoen, Algen und Bakterien. Die Bakterien allein umfaßten mehrere tausend verschiedene Arten und konnten pro Gramm Boden bis zu hundert Millionen Individuen zählen. Und die anderen Mitglieder der Mikrogemeinschaft waren fast ebenso reichlich in Zahl und Mannigfaltigkeit.
Derart komplexe Ökologien konnten nicht einfach auf die Art hergestellt werden, wie Nadia sich das eingebildet hatte: daß man die Ingredienzen separat züchtete und dann wie einen Kuchen in einem Mixer zusammenmischte. Aber sie kannten nicht alle Ingredienzen und konnten einige davon nicht züchten; und manche, bei denen das gelang, starben bei der Vermischung. »Würmer sind besonders empfindlich. Auch Nematoden machen Schwierigkeiten. Das ganze System neigt dazu zusammenzubrechen, wobei uns nur Mineralien und tote organische Substanzen verbleiben. Das nennt man dann Humus. In der Herstellung von Humus sind wir sehr gut. Aber Ackerkrume muß wachsen.«
»So wie in der Natur?«
»Richtig. Wir können nur versuchen, ihn schneller wachsen zu lassen, als es von Natur aus geschieht.
Wir können ihn nicht zusammensetzen oder in großen Mengen herstellen. Und viele der lebendigen Bestandteile wachsen am besten im Humus selbst. Darum ist es ein Problem, Organismen, die den Grundstock bilden, schneller zu beschaffen, als die natürliche Bodengestaltung sie liefern würde.«
»Hmm«, machte Nadia.
Arne führte sie durch ihre Labors und Gewächshäuser, die voller zylindrischer Bottiche oder Rohre waren, in Gestellen, alle mit Boden oder dessen Komponenten gefüllt. Das war experimentelle Agronomie; und Nadia vermochte nach ihrer Erfahrung mit Hiroko nur sehr wenig davon zu verstehen. Die esoterischen Dinge der Wissenschaft überstiegen ihr Fassungsvermögen. Aber sie begriff, daß man fabrikmäßige Versuche anstellte, in denen die Bedingungen in jedem Bodenkörper variierten, und verfolgte, was geschah. Arne zeigte ihr eine einfache Formel, die die allgemeinsten Aspekte des Problems beschrieb:
S=/(P M ,C,R,B,T)
die besagte, daß jede Bodeneigenschaft S ein Faktor / der halbunabhängigen Variablen ist, nämlich Elternmaterial (P M )/ Klima (C), Topographie oder Relief (R), Flora und Fauna (B) und Zeit (T). Die Zeit war natürlich der Faktor, den sie beschleunigen wollten. Und das Elternmaterial war bei ihren meisten Versuchen der überall vorhandene Ton an der Oberfläche des Mars. Klima und Topographie wurden manchmal verändert, um verschiedene Feldbedingungen zu simulieren. Aber am meisten variierten sie die biotischen und organischen Elemente. Das bedeutete MikroÖkologie der raffiniertesten Art; und je mehr Nadia darüber lernte, desto schwieriger erschien ihr das Vorhaben - nicht so sehr Konstruktion als vielmehr Alchimie. Viele Elemente mußten einen Bodenzyklus durchmachen, um als Wachsmedium für Pflanzen zu dienen; und jedes Element hatte seinen eigenen speziellen Zyklus, der durch eine unterschiedliche Kombination von Agenzien angetrieben wurde. Es gab die Makro-Nährstoffe: Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Phosphor, Schwefel, Kalium, Calcium und Magnesium; dann die Mikro-Nährstoffe Eisen, Mangan, Zink, Kupfer, Molybdän, Bor und Chlor. Keiner dieser Nahrungszyklen war geschlossen. Es gab auch Verluste durch Sickern, Erosion, Abernten und Ausgasen. Die Inputs waren ebenso vielfältig, einschließlich Absorption, Verwitterung, Einwirkung von Mikroben und Anwendung von Düngemitteln. Die Bedingungen, die es ermöglichten, daß alle diese Elemente ihre Zyklen durchliefen, waren so vielfältig, daß verschiedene Böden jeden Zyklus in unterschiedlichem Maße aussichtsreich erscheinen ließen. Jede Bodenart hatte spezielle ph-Werte, Salzgehalte,
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