Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Kompaktheiten und so fort. Darum gab es allein in diesen Labors Hunderte benannter Böden und noch Tausende mehr unten auf der Erde.
Natürlich bildete in Vishniac-Labors das Elternmaterial vom Mars die Basis der meisten Experimente. Äonen von Staubstürmen hatten dieses Material auf dem ganzen Planeten wiederverarbeitet, bis es überall fast die gleiche Zusammensetzung hatte. Der typische Marsboden bestand aus feinen Partikeln, hauptsächlich Silizium und Eisen. An der Oberfläche war es oft lockeres Treibmaterial. Darunter hatten unterschiedliche Grade von Zementation zwischen den Partikeln ein krustiges Material gebildet, das um so klumpiger wurde, je tiefer man grub.
Tone, mit anderen Worten Smektite, ähnlich dem Montmorilonit und Nontromit der Erde, mit Zusatz von Materialien wie Talkum, Quarz, Hämatit, Anhydrit, Dieserit, Clacit, Beidelit, Rutil, Gips, Maghämit und Magnetit. Und alles war von amorphen Eisenoxihydroxiden und anderen mehr kristallinen Eisenoxiden umschlossen, die für die rötlichen Farben verantwortlich waren.
Das war also ihr universelles Elternmaterial: eisenreicher Smektit-Ton. Dessen locker gepackte und geschichtete Struktur bedeutete, daß es Wurzeln trug und ihnen dennoch Raum zum Wachstum bot. Aber es gab darin keine Lebewesen, zu viele Salze und zu wenig Stickstoff. Also bestand ihre Aufgabe im wesentlichen darin, Elternmaterial zu sammeln, Salz und Aluminium herauszuziehen und Stickstoff und die biotische Gemeinschaft so schnell wie möglich hinzuzufügen. So gesehen war das einfach. Aber der Ausdruck >biotische Gemeinschaft bereitete eine ganze Welt von Schwierigkeiten. »Mein Gott, das ist so, als ob man diese Regierung in Funktion zu setzen versuchen würde«, sagte Nadia eines Abends zu Art. »Die haben große Schwierigkeiten.«
In der Praxis fügten die Leute dem Ton einfach Bakterien hinzu und dann Algen und andere Mikroorganismen, danach Flechten und halophyllische Pflanzen. Dann hatten sie gewartet, bis diese Biogemeinschaften den Ton in Humus verwandelt hatten, was viele Generationen von Leben und Sterben erforderte. Das funktionierte immerhin. Aber es ging sehr langsam. Eine Gruppe in Sabishii hatte geschätzt, daß - über die ganze Oberfläche gemittelt - ein Zentimeter Ackerkrume in jedem Jahrhundert geschaffen wurde. Und das hatte man unter Einsatz ingenieurgenetisch erzeugter Populationen, die auf größte Geschwindigkeit gezüchtet waren, geschafft.
In den Treibhausfarmen andererseits waren die verwendeten Böden durch Nährstoffe, Düngemittel und Impfstoffe aller Art stark ergänzt worden. Das Resultat entsprach in etwa dem, was diese Forscher beabsichtigt hatten; aber die Bodenmenge in den Treibhäusern war winzig im Vergleich mit den Mengen, die sie auf die Oberfläche ausbringen wollten. Ihr Ziel war ein Boden für die Massenproduktion. Aber sie mußten sich intensiver mit der Materie befassen, als sie erwartet hatten, das war nicht zu übersehen. Alle hatten sie diese gequälte, erstarrte Miene eines Hundes, der an einem Knochen, von dem er schon längst eingesehen hat, daß er zu groß für ihn ist, aber dennoch nicht davon ablassen kann, weiter zu versuchen, ihn zu verschlingen.
Die bei diesen Problemen beteiligten Disziplinen der Biologie, Chemie, Biochemie und Ökologie lagen weit außerhalb von Nadias Fachwissen, und es gab nichts, was sie hätte vorschlagen können. In vielen Fällen konnte sie nicht einmal die hineinspielenden Prozesse verstehen. Das war keine Konstruktion, ja nicht einmal die Analogie einer Konstruktion.
Aber sie mußten doch zumindest eine Konstruktion realisieren bei einer der von ihnen versuchten Produktionsmethoden; und hier war Nadia wenigstens imstande zu verstehen, auf was es ankam. Sie konzentrierte sich auf diesen Aspekt. Sie schaute nach dem mechanischen Entwurf der Bodenproben und auch den Tanks für die lebenden Bestandteile des Bodens. Sie studierte die molekulare Struktur der Elterntone, um zu sehen, ob sie ihr irgendeine Anregung geben würde, wie man damit arbeitete. Sie stellte fest, das die Smektite des Mars Aluminiumsilikate waren. Das bedeutete, daß jede Einheit des Tons eine Schicht von Aluminium-Oktaedern besaß, die zwischen zwei Schichten von Silizium-Tetraedern verpackt waren. Die verschiedenen Arten der Smektiten hatten unterschiedliche Variationsanteile in diesem allgemeinen Muster. Und je größer diese Abweichungen waren, umso leichter konnte Wasser in die Flächen der Zwischenschichten einsickern.
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