Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
Wünsche oder Anregungen äußerte. Der ständige Strom von Entscheidungen schliff manche ihrer Ansichten ab. Sie fand, daß es hilfreich war, zumindest einige bewußt eingehaltene politische Grundsätze zu haben, statt jeden Fall instinktiv zu lösen. Es half auch, verläßliche Verbündete zu besitzen, im Rat und anderswo, anstatt eine vermeintlich neutrale und unabhängige Person zu sein. Und so kam es allmählich dazu, daß sie sich den Bogdanovisten zuwandte, die zu ihrer Überraschung enger ihrer politischen Denkweise entsprachen als alle anderen Gruppierungen auf dem Mars. Natürlich war ihre Lesart von Bogdanovismus relativ einfach. Dinge sollten gerecht getan werden, wie Arkadij betont hatte, und alle sollten frei und gleich sein. Die Vergangenheit spielte keine Rolle. Sie mußten neue Formen erfinden, wo die alten unfair oder undurchführbar schienen. Der Mars war, wenigstens für sie, die einzige Realität, die zählte. Mit diesen Leitprinzipien fand sie es leichter, sich über Dinge klar zu werden, einen Kurs zu erkennen und direkt anzusteuern.
    Sie wurde auch immer rücksichtsloser. Von Zeit zu Zeit empfand sie aufs neue, wie Macht korrumpieren konnte, spürte es wie einen leichten Ekel. Aber sie gewohnte sich daran. Sie stieß oft mit Ariadne zusammen; und wenn sie sich an die Gewissensbisse erinnerte, die sie bei ihrem ersten Gerangel mit der jungen Minoerin gehabt hatte, erschien ihr das lachhaft oder allzu überempfindlich. Sie war jetzt jeden Tag zäher gegenüber den Leuten, die ihr begegneten. Sie zeigte bei einer Sitzung nach der anderen in kalkulierten kleinen Ausbrüchen von Brutalität das Messer, was die Leute sehr wirksam auf Vordermann brachte. Und tatsächlich - je mehr sie es sich gestattete, kleine Ausbrüche von Wut und Ärger herauszulassen, desto sicherer konnte sie die Menschen kontrollieren und irgendwie nützlicher einsetzen. Sie war eine Macht, und die Leute wußten das, und Macht war ätzend. Macht war auch in mehr als einer Hinsicht stark. Nadia hatte deswegen nur sehr wenige Gewissensbisse. Im allgemeinen brauchten die Leute hin und wieder einen Nasenstüber. Sie hatten gedacht, eine harmlose alte Babuschka zu bekommen, die im großen Sessel saß, während sie untereinander ihre Spielchen spielten. Aber der große Sessel war der Sitz der Macht; und sie wäre dumm gewesen, wenn sie nicht all diesen Mist durchmachen und diese Macht nicht einsetzen würde, um das zu bekommen, was sie wollte.
    Und so merkte sie immer seltener, wie häßlich das war. Als das einmal nach einem besonders harten Tage der Fall war, sank sie in einem Sessel zusammen und weinte fast, elend vor Mißmut. Es waren erst sieben Monate von ihren drei m-Jahren vergangen. Was würde sie werden, wenn ihr Pensum erledigt wäre? Sie hatte sich schon an die Macht gewöhnt. Bis dahin würde sie ihr vielleicht sogar gefallen.
    Art, der durch all dies besorgt war, zwinkerte ihr am Frühstückstisch zu. Nachdem sie erklärt hatte, was sie bedrückte, sagte er einfach: »Nun, Macht ist Macht.« Seine Gedanken waren hart: »Du bist die erste Präsidentin des Mars. Also definierst du in gewisser Weise das Amt. Vielleicht solltest du erklären, daß du immer nur den jeweils ersten Monat des Marskalenders arbeiten wirst und nicht auch den zweiten, und die zweiten Monate jeweils an deinen Stab delegierst. Irgend etwas dieser Art.«
    Sie starrte ihn an, den Mund voll mit Toast.
    Später in dieser Woche verließ sie Sheffield und begab sich wieder nach Süden, zusammen mit einer Karawane von Leuten, die von Krater zu Krater zogen, um Drainagesysteme zu installieren. Jeder Krater war anders; aber im Grund kam es darauf an, den richtigen Winkel herauszufinden, der aus der Moräne hinausführte, und dann die Roboter in Gang zu setzen. Von Karman, Du Toit, Schmidt, Agassiz, Heaviside, Bianchini, Lau, Chamberlin, Stoney, Dokuchaev, Trumpler, Keeler, Charlier, Suess... Sie verrohrten alle diese Krater und viele namenslose dazu, obwohl die Krater schneller Namen bekamen, als sie sie anbohrten: 85 South, Too Dark, Fool's Hope, Shanghai, Hiroko Slept Here, Fourier, Cole, Proudhon, Bellamy, Hudson, Kaif, 47 Ronin, Makoto, Kino Dokku, Ka Ko, Mondragon. Der Umzug vom einen Krater zum nächsten erinnerte Nadia an ihre Fahrten um die südliche Polkappe während der Jahre des Untergrundes. Nur fand jetzt alles offen statt, und während der Mittsommertage schwelgte das Team in der Sonne, im grellen Licht der Kraterteiche. Sie reisten durch

Weitere Kostenlose Bücher