Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
wieder im Schutz eines Obsidiangebäudes war, das von großen weißen Trefferspuren verunziert war, tastete sie den allgemeinen Rufcode ein und sagte: »Hier spricht Ann Clayborn. Sie ruft alle Roten. Alle Roten. Hört, hier spricht Ann Clayborne. Der Angriff auf Sheffield ist mißlungen. Kasei ist tot und viele andere. Weitere Angriffe hier werden nicht gelingen. Sie würden bewirken, daß die ganze Sicherheitsmacht der UNTA wieder auf den Planeten zurückkehrt.« Sie wollte sagen, wie dumm der Plan von Anfang an gewesen war, hielt sich aber zurück. »Diejenigen von euch, die dazu in der Lage sind, verlaßt den Berg! Jeder in Sheffield soll nach Westen gehen, die Stadt verlassen und vom Berg verschwinden. Hier spricht Ann Clayborne.«
Es gingen etliche Bestätigungen ein, die sie sich anhörte, während sie nach Westen ging, zurück durch Arsaview zu ihrem Rover. Sie machte keinen Versuch, sich zu verstecken. Wenn sie getötet wurde, wäre sie eben tot. Aber sie glaubte nicht, daß es jetzt geschehen würde. Sie ging unter den Flügeln eines finsteren Schutzengels, der sie vor dem Tod bewahrte, was immer auch geschehen würde. Er zwang sie, Zeugin des Todes aller derer zu sein, die sie kannte, und des ganzen Planeten, den sie liebte. Ja, das waren Dao und seine Leute, alle sofort tot und in Lachen ihres eigenen Blutes liegend. Sie war dem knapp entronnen.
Und dort unten, auf einem breiten Boulevard mit einer Reihe von Linden in der Mitte, war ein weiterer Leichenhaufen. Keine Roten, sie trugen grüne Kopfbinden, und einer von ihnen sah von hinten aus wie Peter. Sie ging mit weichen Knien hinüber, wie vom Zwang eines Alptraums getrieben. Sie ging um den Leichnam herum. Aber es war nicht Peter. Irgendein hochgewachsener junger Eingeborener mit Schultern wie Peter. Armer Kerl! Ein Mann, der tausend Jahre hätte leben können.
Sie ging unbehelligt weiter. Sie erreichte ohne Zwischenfall ihren kleinen Rover am Westende von Sheffield, stieg ein und fuhr zum Hauptbahnhof im Westen der Stadt.
Dort führte eine Piste den Südhang von Pavonis hinunter in den Sattel zwischen Pavonis und Arsia. Als sie das sah, faßte sie einen sehr einfachen und elementaren Plan, der gerade deshalb durchführbar war. Sie schaltete die Frequenz der Kakaze ein und gab Empfehlungen so, als es wären es Befehle. Weglaufen und Verschwinden! Geht hinab zum Südsattel, dann um Arsia herum auf dem westlichen Hang oberhalb der Schneegrenze, danach schlüpft in das obere Ende von Aganippe Fossa, einem langen geraden Canyon, in dem es ein verborgenes Refugium der Roten gab, eine Klippe in der nördlichen Wand. Dort konnten sie sich verstecken und eine neue lange Untergrundkampagne starten gegen die neuen Herren des Planeten. UNOMA, UNTA, Metanat, Dorsa Brevia. Sie waren alle Grün.
Sie versuchte Cojote anzurufen und war etwas überrascht, als er antwortete. Auch er befand sich irgendwo in Sheffield, das konnte sie erkennen. Ohne Zweifel glücklich, am Leben zu sein, mit einer bitteren, wilden Miene in seinem rissigen Gesicht.
Ann erzählte ihm ihren Plan. Er nickte.
»Im Laufe der Zeit werden sie sich weiter entfernen müssen«, erwiderte er.
Ann konnte nicht umhin zu sagen: »Es war dumm, das Kabel anzugreifen.«
»Ich weiß«, sagte Cojote resigniert.
»Hast du nicht versucht, es ihnen auszureden?«
»Das habe ich.« Seine Miene wurde noch finsterer. »Kasei ist tot?«
»Ja.«
Sein Gesicht verzerrte sich vor Kummer. »O Gott! Diese Schufte!«
Ann schwieg. Sie hatte Kasei nicht gut gekannt und auch nicht besonders gemocht. Cojote hingegen hatte ihn von Geburt an gekannt, damals in Hirokos verborgener Kolonie, und hatte ihn seit jungen Tagen bei seinen heimlichen Unternehmen auf dem ganzen Mars mitgenommen. Jetzt rannen Tränen die tiefen Runzeln auf Cojotes Wangen herab; Ann biß die Zähne zusammen.
»Kannst du sie nach Aganippe hinunterbringen?« fragte sie. »Ich werde bleiben und mit den Leuten in Ost-Pavonis sprechen.«
Cojote nickte. »Ich werde sie hinunterbringen, so schnell ich kann. Treffpunkt Westbahnhof.«
»Ich werde es ihnen sagen.«
»Die Grünen werden wütend auf dich sein.«
»Scheiß auf die Grünen!«
Ein Teil der Kakaze schlich sich im Licht eines verrauchten trüben Sonnenuntergangs in die westliche Endstation von Sheffield. Kleine Gruppen in schmutzigen Anzügen, die Gesichter weiß, erschrocken und ärgerlich, desorientiert im Schock. Abgenutzt. Am Ende waren es drei- oder vierhundert, die die schlechten
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