Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
geht das.« Und die fast unsichtbare Leine brummte zwischen seinen Fingern.
Sie setzten sich hin, öffneten Saxens Korb und holten das von ihm zusammengepackte Picknick heraus. Michel wurde mit einemmal wieder ganz still.
Sax fragte, während sie aßen, beiläufig: »Macht dir etwas Sorgen?«
Michel schwenkte ein Stück Brot, schluckte und sagte: »Ich denke, ich werde wieder in die Provence zurückkehren.«
»Endgültig?« fragte Sax schockiert.
Michel runzelte die Stirn. »Nicht unbedingt. Aber zu einem Besuch. Ich fing gerade an, meinen letzten Besuch dort zu genießen, als wir abreisen mußten.«
»Auf der Erde ist es nicht einfach.«
»Stimmt. Aber ich fand die Anpassung erstaunlich problemlos.«
» Hmm .« Sax hatte die Rückkehr in die Erdschwere nicht gefallen. Die Evolution hatte gewiß ihre Körper darauf eingestellt; und er war sicher, daß ein Leben bei 0,38 Ge allerhand medizinische Probleme schuf. Aber er war jetzt an das Gefühl der Marsschwere so sehr gewöhnt, daß er sie niemals mehr bemerkte. Und falls doch, dann war es ein gutes Gefühl.
»Ohne Maya?« fragte er.
»Ich nehme an, daß es sein muß. Sie will nicht gehen. Sie sagte, sie würde eines Tages mitkommen, aber es heißt immer: später, später. Sie arbeitet für die Koop-Kreditbank in Sabishii und hält sich für unentbehrlich. Nun, das ist nicht fair. Sie will einfach nichts davon vermissen.«
»Kannst du nicht da, wo du lebst, eine Art von Provence schaffen? Einen Olivenhain pflanzen?«
»Das ist nicht dasselbe.«
»Gewiß, aber...«
Sax wußte nicht, was er sagen sollte. Er fühlte kein Heimweh nach der Erde. Was das Leben mit Maya anging, so konnte er es sich nur wie das Leben in einer beschädigten unberechenbaren Zentrifuge vorstellen. Der Effekt würde ziemlich der gleiche sein. Daher vielleicht Michels Verlangen nach festem Boden, nach dem Kontakt mit der Erde.
»Du solltest gehen«, sagte Sax. »Aber warte noch ein wenig! Wenn sie diesen gepulsten Antrieb auf den Raumschiffen bekommen, könntest du sehr rasch dort sein.«
»Aber das könnte echte Probleme mit der Erdenschwere bewirken. Ich denke, man braucht die Monate der Reise, um sich darauf vorzubereiten.«
Sax nickte. »Was du brauchtest, ist eine Art Exoskelett. Du würdest dich darin etwas gestützt fühlen - vielleicht wie bei einem geringeren Ge. Diese neuen Vogelanzüge, von denen ich gehört habe, müssen die Fähigkeit haben, sich zu etwas wie ein Exoskelett zu versteifen, sonst würde man nie die Flügel in Position halten können.«
»Ein sich ständig verlagernder Rückenschild aus Carbonfasern«, erwiderte Michel lächelnd. »Eine fliegende Schale.«
»Ja. Du könntest imstande sein, so etwas zu tragen, um damit umherzugehen. Das wäre nicht so schlimm.«
»Also erst ziehen wir auf den Mars, wie du sagst, wo wir hundert Jahre lang Schutzanzüge tragen müssen. Und wenn wir dann alles soweit verändert haben, daß wir draußen in der Sonne sitzen können, ohne uns den Arsch abzufrieren, dann ziehen wir wieder auf die Erde, wo wir wieder hundert Jahre lang Schutzanzüge tragen müssen.«
»Oder für immer danach«, sagte Sax. »Ja. Du hast recht.«
Michel lachte. »Nun, vielleicht werde ich dann gehen. Wenn es so wird.« Er schüttelte den Kopf. »Eines Tages werden wir alles tun können, was wir wollen, he?«
Die Sonne stach auf sie herunter. Der Wind raschelte über die Grashalme. Jeder Halm hatte einen grünen Lichtstreifen. Michel redete einige Zeit über Maya, erst jammerte er, dann übte er Rücksicht und dann zählte er ihre guten Eigenschaften auf, die sie unentbehrlich und zur Quelle aller Erregung im Leben machten. Sax nickte brav bei jeder Äußerung, ganz gleich, wie sehr sie der zuvor gekommenen widersprach. Es kam ihm vor, als ob er einem Rauschgiftsüchtigen lauschte. Aber so waren die Menschen nun einmal, und er war selbst nicht weit von solchen Widersprüchen entfernt.
Nachdem sich das Schweigen hingezogen hatte, sagte Sax: »Was glaubst du, wie Ann jetzt diese Art Landschaft sieht?«
Michel zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Ich habe sie seit Jahren nicht gesehen.«
»Hat sie nicht die Behandlung für Gehirnplastizität bekommen?«
»Nein. Sie ist stur, nicht wahr? Sie will sie selbst bleiben. Aber ich fürchte, in dieser Welt... «
Sax nickte. Wenn man alle Lebenszeichen in der Landschaft als Verunreinigungen ansah, als einen schrecklichen Schimmel, der die reine Schönheit der mineralischen Welt überzog, dann wäre
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