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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Beschleunigung. Die Reisen dauern nicht lange.«
    »Und wie groß sind diese Kugeln?«
    »Radius 1 Zentimeter, Masse 29 Gramm«, erklärte der Physiker. »Also verbrauchen wir davon 1290 in der Sekunde. Das sollte den Passagieren im Schiff ein angenehmes Gefühl gleichmäßiger Schwerkraft geben.«
    »Das möchte ich auch annehmen. Aber ist Helium3 nicht etwas rar?«
    »Ein Galilei-Kollektiv hat es aus der oberen Atmosphäre des Jupiter besorgt«, sagte der Ingenieur. »Und sie könnten diese Oberflächensammlung auch auf Luna anwenden, obwohl das nicht besonders gut funktioniert hat. Aber der Jupiter hat alles, was wir benötigen.«
    »Also wird das Schiff fünfhundert Passagiere befördern.«
    »Das legen wir unseren Berechnungen zugrunde. Es könnte natürlich angepaßt werden.«
    »Ihr beschleunigt auf der halben Strecke bis zum Ziel, wendet das Schiff und bremst während der zweiten Hälfte der Reise.«
    Der Physiker schüttelte den Kopf. »Aufkurzen Reisen ja, auf längeren nein. Man braucht nur ein paar Tage zu beschleunigen, um recht schnell zu werden. Auf längeren Strecken könnte man antriebslos fahren, um Treibstoff zu sparen.«
    Der Chefberater nickte und gab den anderen die vollen Tassen. Sie tranken.
    »Reisezeiten werden sich radikal ändern. Drei Wochen vom Mars zum Uranus«, sagte die Mathematikerin. »Zehn Tage vom Mars zum Jupiter. Vom Mars zur Erde drei Tage. Drei Tage!« Sie schaute die anderen mißbilligend an. »Dadurch wird das Sonnensystem zu etwas Ahnlichem gemacht wie Europa im neunzehnten Jahrhundert. Eisenbahnreisen, Ozeanriesen.«
    Die anderen nickten. »Jetzt sind wir Nachbarn der Bewohner auf Merkur, Uranus oder Pluto«, sagte der Ingenieur.
    Der Chefberater zuckte die Achseln. »Oder auch gleich Alpha Centauri. Lassen wir uns deswegen keine grauen Haare wachsen! Kontakt ist etwas Gutes. Immer nur Fühlung nehmen, sagt der Dichter. Bloß Fühlung nehmen. Nun werden wir die Vergeltung zu fühlen bekommen.« Er hob seine Tasse. »Prosit!«

N irgal verfiel in einen Rhythmus und behielt ihn alle Tage bei. Lung-gom-pa. Die Religion des Gehens als Meditation oder Gebet. Zazen, ka zen. Ein Teil der Areophanie. Wie die Schwere auf dem Mars ein integrierender Teil davon war. Was der menschliche Körper in zwei Fünfteln des Andrucks, in dem er sich entwickelt hatte, zu leisten vermochte, war eine Euphorie der Anstrengung. Man bewegte sich als Pilger, halb Verehrer und halb Gott.
    Eine Religion, die in diesen Tagen wenige Anhänger hatte, die einsam vor sich hingingen. Manchmal gab es organisierte Rennen und Läufe. Sich durch das Labyrinth schlängeln, Chaoskriechen, Transmarineris, die Weltumrunder. Und dazwischen die tägliche Disziplin. Eine Aktivität ohne Zweck. Kunst um der Kunst willen. Für Nirgal war es die Verehrung des Augenblicks oder Meditation oder Vergessen. Sein Geist wanderte, konzentrierte sich im Körper oder auf die Strecke oder wurde leer. In diesem Moment lief er nach Musik: Bach, dann Bruckner und dann Bonnie Tyndall, ein Neoklassizist von Elysium, dessen Musik dahinströmte wie der Tag selbst. Großartige Akkorde verlagerten sich in gleichmäßiger interner Modulation, irgendwie Bach oder Bruckner ähnlich, aber langsamer und ruhiger, unerbittlicher und großartiger. Eine gute Musik, um dazu zu gehen, auch wenn er sie über Stunden nicht bewußt hörte. Er setzte bloß einen Fuß vor den anderen.
     
    Es kam die Zeit für die Weltumrunder, die bei jedem zweiten Perihel begann. Die Wettbewerbsteilnehmer liefen von Sheffield aus nach Osten oder Westen um die Welt ohne Handy oder andere Navigationshilfen, nur auf ihre Sinne angewiesen und mit kleinen Beuteln voll Nahrung, Getränken und Kleidung ausgerüstet. Sie durften jede Route wählen, die innerhalb von zwanzig Grad vom Äquator verlief (man verfolgte sie per Satellit und disqualifizierte sie, wenn sie die Äquatorzone verließen). Alle Brücken waren erlaubt, einschließlich der großen Gangesbrücke, die Routen sowohl westlich als auch südlich von Marineris gestattete und fast ebenso viele gangbare Routen erzeugte, wie es Teilnehmer gab. Nirgal hatte den Wettbewerb in fünf der neun bisherigen Rennen gewonnen und das eher wegen seines Geschicks, Routen zu finden als wegen seiner Schnelligkeit. Der >Nirgalweg< wurde von vielen Geländeläufern als eine Art mystischer Leistung angesehen, voll Extravaganz, die der Intuition zuwiderlief. Bei den letzten Rennen hatte er Verfolger auf seinen Spuren gehabt, die ihn am

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