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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Mit wem tat sie sich zusammen?
    Er brauchte sie nur anzurufen und fragen.
    Aber er scheute sich davor. Er fürchtete sich, mit ihr zu sprechen! Zumindest über das Handgelenk. Und offenbar auch persönlich. Sie hatte nicht gesagt, was sie davon hielt, daß er ihr gegen ihren Willen die Behandlung verpaßt hatte. Kein Dank, kein Fluch. Nichts. Was dachte sie wohl?
    Er seufzte und trank von seinem Kava. Da unten fingen sie an. Hector sang ein Rezitativ auf spanisch. Seine Stimme war so musikalisch und ausdrucksvoll, daß es fast war, als ob Sax ihn nur durch seine Stimme allein verstehen könnte.
    Ann, Ann, Ann. Dieses quälende Interesse an den Gedanken eines anderen war so lästig. Viel leichter war es, sich auf den Planeten zu konzentrieren, auf Steine und Luft, auf die Biologie. Das war eine Beschäftigung, die Ann selbst verstehen würde. Und die Ökopoesis hatte etwas fundamental Fesselndes an sich. Die Geburt einer Welt. Außerhalb ihrer Kontrolle. Dennoch fragte er sich, was sie daraus machte. Vielleicht würde er ihr wieder zufällig begegnen.
     
    Inzwischen - die Welt. Er ging wieder zu ihr hinaus. Zerknittertes Land unter der blauen Kuppel des Himmels. Der gewöhnliche Himmel änderte im Frühling am Äquator seine Farbe von Tag zu Tag. Man brauchte eine Farbskala, um die Farbtöne auch nur näherungsweise zu bestimmen. An manchen Tagen war es tief violettblau, clematisblau, hyazinthenblau oder lapislazuli oder leicht purpurnes Indigo. Oder preußischblau, ein Pigment, das aus Cyaneisenverbindungen gemacht wurde - interessant, weil es da oben sicher viel eisenhaltiges Material gab. Eisenblau. Ein wenig mehr purpurn als der Himmel des Himalaya, wie man ihn auf Fotografien sieht oder auch der Himmel der Erde in so großen Höhen. Und in Verbindung mit dem felsigen Gelände sah es aus wie eine Landschaft in großer Höhe. Alles. Die Himmelsfarbe, der zerknitterte Fels, die kalte dünne Luft, die so rein und ruhig war. Alles war so hoch. Sax ging gegen den Wind, quer zum Wind oder mit dem Wind im Rücken und fühlte sich jedesmal anders. In seinen Nasenlöchern war der Wind leicht berauschend und überflutete ihm das Hirn. Er trat von Stein zu Stein auf von Flechten überkrustete Blöcke, als ob er auf einem privaten Fußweg wandelte, der magisch aus dem zerklüfteten Land auftauchte, auf und ab, jeder Schritt bloß ein Schritt, achtsam in Wahrnehmung des Augenblicks wandernd. Vom einem Moment zum nächsten und dann zum folgenden, jeder einzeln für sich, wie Baos Schleifen in der Raumzeit, wie die aufeinanderfolgenden Haltungen des Kopfs eines Finken und der kleinen Vögel, die von einer gequantelten Pose zur nächsten hüpften. Bei genauem Hinsehen schien es, als ob die Momente nicht regelmäßige Einheiten wären, sondern in ihrer Dauer verschieden, je nachdem, was in ihnen geschah. Der Wind ließ nach, keine Vögel in Sicht. Alles plötzlich still, bis auf das Summen der Insekten. Solche Augenblicke konnten manchmal mehrere Sekunden dauern. Wenn dagegen Sperlinge mit eine Krähe zankten, waren die Momente fast instantan. Man mußte genau hinsehen. Manchmal war es ein Fluß, manchmal das Platschen individueller Ruhepausen.
    Erkenntnis. Es gab unterschiedliche Wege zur Erkenntnis. Aber keiner von ihnen war, wie Sax entschied, so befriedigend wie die direkte Sinneswahrnehmung. Hier draußen im strahlenden Frühlingslicht und dem kalten Wind kam er an den Rand einer Klippe und schaute hinab auf die ultramarine Fläche des Simud-Fjords, versilbert durch Myriaden Lichtsplitter, die vom Wasser blitzten. Die Klippen auf der anderen Seite waren Bänder aus Bodenschichten durchzogen, von denen einige zu grünen Leisten im Basalt geworden waren. Möwen, Papageientaucher, Seeschwalben, Lummen, Fischadler - alle wirbelten in den Luftstrudeln unter ihm auf und ab.
     
    Während er die verschiedenen Fjorde erkundete, entdeckte er seinen Favoriten. Florentine, ein hübsches Oval aus Wasser direkt südöstlich von Da Vinci.
    Ein Spaziergang auf den darüber liegenden niedrigen Küstenfelsen war immer malerisch. Auf Steinen wuchs dickes mattenartiges Gras. Es sah so aus, wie Sax sich die irische Küste vorstellte. Die Ecken des Landes wurden weich, als Humus und pflanzliches Leben die Spalten auszufüllen begann und sich an Hänge klammerte, die dem Schüttungswinkel trotzten, so daß man über Polster schritt, die zwischen den scharfen Zähnen noch kahler Felsen hochquollen.
    Von der See her strömten Wolken gen Norden, und

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