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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Füße gerissen und würde ohne Handschuhe an der Leine Schnitte in der Hand erleiden, wie er schnell gelernt hatte. Dann loslassen, wieder auf den Sand plumpsen und zusehen, wie der runde rote Fleck durch den Wind in die Höhe flatterte, bis er erst klein wie eine Nadelspitze und nicht mehr zu sehen war. Das geschah bei rund tausend Metern, je nach dem Dunst in der Luft. Einmal war es bereits bei nur 479 Metern passiert und einmal, an einem sehr klaren Tage, erst in 1352 Metern. Danach las er dann einige der Daten auf seinem Handgelenk ab und saß in der Sonne mit dem Gefühl, daß ein kleines Stück von ihm in den Raum hinaufsegelte. Seltsam, was einem Freude bereitete.
    Die Drachen waren genauso schön. Sie waren etwas komplexer als die Ballons, aber im Herbst ein besonderes Vergnügen, wenn die Monsune jeden Tag stark und gleichmäßig bliesen. Man ging zu einer Meeresklippe im Westen hinaus, lief kurz gegen den Wind und brachte den Drachen in die Luft. Ein großer orangefarbener Kastendrache, der hin und her zuckte. Wenn er dann in den gleichmäßigeren Wind aufstieg, stabilisierte er sich; und Sax spulte ihn ab, wobei er die Verschiebungen des Windes als feines Zittern in den Armen fühlte. Oder aber er klemmte einen Spulenstab in eine Spalte, löste den Widerstand und beobachtete den Drachen, wie er hochstieg und davon flog. Die Leine war fast unsichtbar. Wenn die Spule abgelaufen war, summte die Leine; und wenn er sie zwischen die Finger nahm, teilten sich ihm die Schwankungen des Windes wie eine Art Musik mit. Der Drache blieb Wochen hintereinander oben - außer Sicht oder, wenn er tief genug gehalten wurde, eben noch erkennbar als winziger Fleck am Himmel. Während der ganzen Zeit sendete er Daten. Ein quadratischer Gegenstand war auf größere Entfernung besser zu sehen als ein runder der gleichen Fläche. Sein Kopf war ein drolliges Tier.
    Michel rief an, ohne über etwas Besonderes zu sprechen. Das war für Sax die anstrengendste Konversation überhaupt. Das Bild Michels blickte nach unten und rechts, und wenn er sprach, wurde deutlich, daß seine Gedanken woanders waren, daß er unglücklich war und daß Sax irgendwie die Führung übernehmen mußte.
    »Komm zu Besuch und mach mit mir einen Spaziergang!« sagte Sax wieder. »Ich meine, das solltest du wirklich tun.« Wie konnte er das noch betonen? »Ich denke wirklich, das solltest du machen.« Dinge verbinden. »Da Vinci ist wie die Westküste Irlands. Das Ende von Europa, lauter grüne Klippen über einer großen Wasserfläche.«
    Michel nickte unsicher.
    Dann war er ein paar Wochen später da und ging durch eine Halle in Da Vinci. »Ich würde ganz gern das Ende von Europa sehen.«
    »Braver Bursche.«
    So machten sie zusammen einen Tagesausflug. Sax fuhr ihn bis westlich der Shalbatana-Klippen. Dann stiegen sie aus und wanderten nach Norden auf Simshai Point zu. Es war ein großes Vergnügen, den alten Freund in dieser schönen Gegend bei sich zu haben. Der Anblick eines jeden der Ersten Hundert war eine willkommene Unterbrechung in seiner Routine, ein seltenes Ereignis, das er schätzte. Die Wochen pflegten in ihrer behaglichen Ruhe zu vergehen, und dann erschien plötzlich einer der alten Familie, und es war wie eine Heimkehr ohne Heim, das ihn auf den Gedanken brachte, er sollte vielleicht eines Tages nach Sabishii oder Odessa ziehen, so daß er ein so wundervolles Gefühl öfter erleben könnte.
    Und am besten gefiel ihm die Gesellschaft von Michel. Obwohl Michel an diesem Tag zerstreut und anscheinend bekümmert hinterher ging. Sax bemerkte das und überlegte, was er tun konnte, um ihm zu helfen. Michel hatte ihm in den langen Wochen seiner Rückkehr zur Sprache so, viel Hilfe erwiesen, hatte ihn gelehrt, wieder zu denken und alles anders zu sehen. Es wäre schön, wenn er etwas tun könnte, um dieses Geschenk, wenigstens teilweise, zu entgelten.
    Nun, das würde nur geschehen, wenn er etwas tat. Darum gab er, nachdem sie angehalten hatten und Sax den Drachen herausgeholt und zusammengesetzt hatte, Michel die Spule.
    »Hier!« sagte er. »Ich werde den Drachen bereithalten. Du läufst und spulst sie ab. Dorthin, gegen den Wind.« Und er hielt den Drachen, während Michel über die grasbewachsenen Hügel ging, bis die Leine straff war. Sax ließ den Drachen los, als Michel zu laufen anfing; und dahin ging er, immer höher und höher.
    Michel kam grinsend zurück. »Hier, faß die Leine an! Du kannst den Wind spüren.«
    »Ah!« sagte Sax. »So

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