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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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wiederzufinden. Da Nirgal nicht wußte, wo diese sich befanden, mußte er nahe bei der einen oder anderen Gruppe bleiben. Einmal ließen sie ihn die vier Kinder der Gruppe auf einer leichteren Strecke über das verkraterte Gelände von Lunae Planum führen; und die Kinder sagten ihm jedesmal, wenn sie sich entscheiden mußten, welche Richtung einzuschlagen war. Und sie erreichten als erste das nächste Scheibenhaus. Den Kindern gefiel das. Oft wurden sie von den größeren Gruppen gefragt, wann sie ein Scheibenhaus verlassen sollten. »He, ihr Kleinen, ist es Zeit zu gehen?« Dann antworteten sie einstimmig sehr sicher mit Ja oder Nein. Einmal gerieten zwei Erwachsene in Streit und mußten danach ihre Ansichten den vier Kindern vortragen, die gegen einen von ihnen entschieden. Die Metzgerfrau erklärte Nirgal: «Wir lehren sie, sie urteilen über uns. Sie sind hart, aber fair.«
    Sie ernteten etwas vom Ertrag der Obstgärten: Pfirsiche, Birnen, Aprikosen, Äpfel.
    Wenn eine Ernte überreif war, dann nahmen sie alles, kochten es ein und füllten es in Flaschen als Soßen oder Chutneys und hinterließen es in großen Speiseschränken für andere Gruppen oder sich selbst, für das nächste Mal. Dann zogen sie weiter, nach Norden über das Lunae-Land, bis zur Großen Böschung, dramatisch vom Hochplateau Lunae über fünftausend Meter bis zum Chryse-Golf, der nur etwas über tausend Höhenmeter lag, abfiel.
    Der Weg über dieses steile Terrain war schwierig. Das Land war schroff und aufgerissen und zersplitterte in Millionen kleiner Verformungen. Hier waren keine Wege angelegt, und es gab kaum ein Durchkommen. Es ging bergauf und bergab über nahezu nicht erkennbare ausgezackte und ins Nichts führende Pfade. Und keine Scheibenhäuser weit und breit und kaum Nahrung zu finden. Ein Kind rutschte aus, als sie eine Reihe von Korallenkakteen kreuzten, die das Land wie ein Zaun aus Stacheldraht säumten, und es fiel mit dem Knie in ein Büschel Dornen. Dann dienten die Magnesiumstangen als Gerüst für eine Trage, und sie zogen weiter nach Norden, wobei sie den weinenden Jungen mit sich trugen. Die besten Jäger befanden sich mit Pfeilen und Bogen an den Flanken der Gruppe, um zu sehen, ob sie etwas erlegen könnten, das vorbeihuschte. Nirgal bemerkte einige Fehlschüsse. Dann erlegte ein weit fliegender Pfeil ein fliehendes Kaninchen, das taumelte und fiel. Dann töteten sie es. Ein erstaunlicher Schuß, der sie alle veranlaßte, schreiend herumzuspringen. Um den Schuß zu feiern, verbrauchten sie mehr Kalorien, als je zurückbekommen würden, wenn sie die winzigen Stücke von Kaninchenfleich, die der Anteil jeder Person waren, verzehrten. »Ritueller Kannibalismus an unserem Nagetierbruder«, sagte die Metzgerfrau verächtlich, als sie ihr Stück aß. »Sagt nie wieder, daß es so etwas wie Glück gibt!« Aber der ungestüme Schütze lachte sie bloß aus, und die anderen schienen sich über ihren Happen Fleisch zu freuen.
    Dann trafen sie später am gleichen Tag auf einen jungen Karibu-Bullen, der sich verlaufen zu haben schien. Ihre Nahrungsprobleme waren gelöst, wenn sie ihn erwischen konnten. Aber er war vorsichtig, trotz seines verwirrten Verhaltens, hielt sich jenseits der Reichweite auch des weitesten Pfeilschusses auf und setzte sich von der Gruppe ab die Große Böschung hinunter, vor den Augen aller Jäger, die auf dem Hang verblieben waren.
    Schließlich ließen sie sich alle auf Hände und Knie nieder und krabbelten mühsam über den mittäglich heißen Fels, um den Karibu zu umzingeln. Aber der Wind blies von hinten; und der Karibu bewegte sich scheu noch weiter hinunter und wandte sich nach Norden. Unterwegs graste er und schaute immer neugieriger auf seine Verfolger zurück, als ob er sich fragte, warum sie mit diesem Spiel fortfuhren. Auch Nirgal wunderte sich. Und er war offenbar nicht allein. Die Skepsis des Karibus hatte sie angesteckt. Leise und kräftigere Mißtöne erklangen in dem ständigen Gespräch, das deutlich eine Debatte über Strategie war. Nirgal begriff, daß das Jagen schwierig war und daß die Gruppe oft versagte. Daß sie dabei vielleicht nicht sehr gut waren. Sie wurden auf dem Fels geröstet und hatten seit einigen Tagen nicht mehr ordentlich gegessen. Das gehörte für diese Leute zum Leben, machte aber diesmal wirklich keinen Spaß mehr.
    Als sie schließlich weiterzogen, schien sich der Horizont im Osten unter ihnen zu verdoppeln. Chryse Golf schimmerte blau und flach noch immer weit

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