Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
unten. Während sie dem Karibu den Abhang hinab folgten, kam das Meer immer stärker ins Blickfeld. Die Große Böschung war hier so steil, daß nicht einmal die enge Krümmung des Mars ausreichte, die Fernsicht zu behindern; und sie konnten viele Kilometer weit über Chryse Golf hinausblicken. Das Meer, das blaue Meer!
Vielleicht konnten sie den Karibu gegen das Wasser hin treiben. Aber jetzt wandte er sich nach Norden quer zum Abhang der Böschung. Sie krochen über eine kleine Bodenwelle hinter ihm her und hatten plötzlich einen guten Blick zur Küste hinunter. Grüner Wald neben dem Wasser, kleine weiß getünchte Gebäude unter den Bäumen. Ein weißer Leuchtturm auf einem steilen Felsen.
Während sie weiter nach Norden zogen, erschien über dem Horizont eine Wendung in der Küste. Genau dahinter lag eine Stadt an einer halbmondförmigen Bucht auf der Südseite von etwas, das sie jetzt als einen Meeresarm oder besser einen Fjord erkannten; denn jenseits einer schmalen Wasserstraße erhob sich eine Wand, die noch steiler war als der Abhang, auf dem sie sich befanden. Dreitausend Meter roter Fels ragten aus der See. Die gigantische Klippe erschien wie der Rand eines Kontinents. Die horizontalen Schichtungen waren durch den Wind von Milliarden Jahren tief eingeschnitten. Nirgal erkannte sofort, wo sie waren. Die massive Klippe war die dem Meer zugewandte Böschung der Sharanov-Halbinsel, und der Fjord deshalb der Kasei-Fjord und die Hafenstadt folglich Nilokeras. Sie hatten einen weiten Weg hinter sich.
Die Pfeiftöne zwischen den Jägern wurden sehr laut und ausdrucksvoll. Etwa die Hälfte der Gruppe richtete sich über einem Steinfeld auf. Sie schauten einander an, als wäre ihnen plötzlich etwas eingefallen. Dann erhoben sie sich und gingen den Weg hinunter zur Stadt. Sie gaben den Karibu auf und ließen ihn äsen. Nach einer Weile hüpften und sprangen sie unter Gebrüll und Gelächter bergab. Die Träger mit der Trage und dem verletzten Jungen ließen sie hinter sich.
Weiter unten warteten sie aber, unter den hohen Hokkaido-Fichten am Rand der Stadt. Als die Träger sie einholten, gingen sie zusammen zwischen den Bäumen hinunter in die oberen Straßen der Stadt. Als eine laute Schar kamen sie an feinen Häusern mit Fensterfronten vorbei, die den dicht gefüllten Hafen überblickten, direkt zu einer medizinischen Klinik, als ob sie genau wüßten, wohin sie gingen. Sie lieferten den verletzten Jungen ab und besuchten dann die öffentlichen Bäder. Nach einem schnellen Bad gingen sie zu der gekrümmten Geschäftsstraße hinter den Docks und fielen in drei oder vier benachbarte Restaurants mit Tischen unter Sonnenschirmen und Reihen leuchtender Glühbirnen ein. Nirgal setzte sich mit den jungen Leuten an einen Tisch in einem Fischlokal. Nach einer Weile kam der verletzte Junge mit verbundenem Knie und Wade hinzu; und sie alle aßen gewaltige Mengen Krabben, Muscheln, Forellen, frisches Brot, Käse, Bauernsalat und tranken literweise Wasser, Wein und Ouzo - alles in solchem Übermaß, daß sie, als sie genug hatten, davonstolperten, betrunken und mit prall wie Trommeln gefüllten Mägen.
Einige gingen unmittelbar in ihre übliche Herberge, wie es die Metzgerfrau nannte, um sich hinzulegen oder sich zu übergeben. Der Rest hinkte am Gebäude vorbei zu einem nahe gelegenen Park, wo eine Aufführung von Tyndalls Oper Phyllis Boyle mit anschließendem Tanz stattfand.
Nirgal lag mit der Parkgruppe ausgestreckt im Gras hinter dem Publikum. Wie die anderen war er von der Leistung der Sänger und die schiere Üppigkeit des von Tyndall eingesetzten Orchesterklangs fasziniert. Als die Oper zu Ende war, hatten einige aus der Gruppe ihren Schmaus hinlänglich verdaut, um zu tanzen; und Nirgal machte mit. Nach einer Stunde Tanz ging er, wie viele andere aus dem Publikum, zur Band. Er trommelte so lange, bis sein ganzer Körper wie das Magnesium des Schlagzeugs dröhnte.
Aber er hatte zu viel gegessen; und als einige aus der Gruppe wieder in die Herberge zurückkehrten, beschloß er, mit ihnen zu gehen. Auf dem Heimweg sagten irgendwelche Passanten so etwas wie: »Schaut euch diese Wilden an!«, und der Speerwerfer heulte. Dann preßte er zusammen mit einigen der jungen Jäger die Passanten gegen eine Mauer und brüllte Beschimpfungen: »Hütet eure Zunge, oder wir werden euch das Fell gerben! Ihr Ratten im Käfig, ihr Drogensüchtigen, ihr Schlafwandler, ihr verdammten Erdenwürmer! Ihr denkt, ihr könnt Drogen
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