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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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schrecklichen Stürzen an ihm vorbei auf das Meer zuschössen, dann ihre Flügel ausbreiteten, wegkurvten und wieder mit dem Aufwind der inneren Kraterwand aufstiegen. Es sah für Nirgal so aus, als erforderten die Vogelanzüge ein hohes fliegerisches Geschick. Sie waren das Gegenstück zu den Luftgleitern, von denen einige mit Nirgal über die Insel schwirrten und in viel sanfteren Stößen auf- und abstiegen und die Aussicht genossen wie wendige Ballonfahrer.
    Dann entdeckte Nirgal, neben sich, in einer ansteigenden Spirale an ihm vorbeischwirrend, das Gesicht von Diana, der Frau, die die Jagd angeführt hatte.
    Sie erkannte ihn auch, hob das Kinn und entblößte in einem flüchtigen Lächeln die Zähne. Dann zog sie die Flügel ein, kippte nach vorn und fiel mit schrecklichem Geräusch hinab. Nirgal beobachtete sie von oben mit ängstlicher Erregung und dann einem Moment des Schreckens, als sie dicht am Rande der Klippe von Santorini hinabtauchte. Aus seiner Perspektive hatte es ausgesehen, als ob sie aufschlagen würde. Dann war sie wieder oben und stieg im Aufwind in engen Spiralen hoch. Das sah so anmutig aus, daß er sich vornahm, selbst zu lernen, in einem Vogelanzug zu fliegen, selbst als er merkte, daß sein Puls immer noch vom Anblick ihres Sturzflugs raste. Stürzen und Steigen, Stürzen und Steigen - kein Luftgleiter konnte so fliegen, nicht einmal annähernd. Vögel waren die großartigsten Flieger, und Diana flog wie ein Vogel. Jetzt waren die Menschen außer allem anderen auch noch zu Vögel geworden.
    Mit ihm, hinter ihm, um ihn, als ob sie einige jener kühnen Balztänze aufführte, die Mitglieder mancher Arten einander erweisen. Nach ungefähr einer Stunde lächelte sie ihm ein letztesmal zu, zog die Kapuze zurück und tauchte weg. Dann trieb sie in lässigen Kreisen zu dem Segelflughafen in Phira. Nirgal folgte ihr nach unten und landete eine halbe Stunde später mit einem Stoß gegen den Wind. Er lief und hielt kurz vor ihr an. Sie hatte gewartet, die Flügel um sich herum auf den Boden ausgebreitet.
    Sie ging in einem Kreis um ihn herum, ganz als ob sie immer noch einen Balztanz aufführte. Dann ging sie zu ihm, zog die Kapuze zurück und bot ihm den Mund. Ihr schwarzes Haar spreizte sich in dem Licht wie ein Krähenflügel. Die Diana. Sie reckte sich auf Zehenspitzen und küßte ihn voll auf den Mund. Dann trat sie zurück und beobachtete ihn ernst. Er erinnerte sich, wie er sie nackt vor der Jagd hatte laufen sehen, mit einem grünen Schal winkend.
    »Frühstück?« fragte sie.
    Es war schon um die Mitte des Nachmittags, und er hatte großen Hunger. »Sicher.«
    Sie speisten im Restaurant des Segelflughafens, blickten auf den Bogen der kleinen Bucht der Insel und die Weite der Sharanovklippen und die Kunststücke der Flieger hinaus, die noch in der Luft waren. Sie sprachen über das Fliegen und das Laufen übers Land. Über die Jagd nach den drei Antilopen und die Inseln des Nordmeers und den großen Fjord von Kasei, der seinen Wind über sie strömen ließ. Sie flirteten; und Nirgal fühlte die angenehme Erwartung, was das anbelangte, worauf sie hinzielten. Er schwelgte darin. Es war lange her. Auch dies war ein Teil des Abstiegs in die Stadt, in die Zivilisation. Flirten, Verführung. Wie wundervoll war das alles, wenn man interessiert war und sah, daß auch die andere Person Interesse zeigte! Sie war noch recht jung, nahm er an. Aber ihr Gesicht war von der Sonne verbrannt, und die Haut hatte Falten um die Augen - keine Jugendliche. Wie sie sagte, war sie auf den Jupitermonden gewesen und hatte in der neuen Universität von Nilokeras gelehrt und hatte sich jetzt für einige Zeit den Wilden angeschlossen. Vielleicht zwanzig m-Jahre alt oder älter. In diesen Tagen schwer zu sagen. Auf jeden Fall eine Erwachsene. In diesen ersten zwanzig m-Jahren erwarben die Leute das meiste an Erfahrung, die ihnen je zuteil werden würde. Danach war es nur noch eine Sache der Wiederholung. Er hatte alte Narren und junge Weise fast ebenso oft getroffen wie das Gegenteil. Sie waren beide Erwachsene und Altersgenossen. Und da waren sie nun und erlebten gemeinsam die Erfahrung der Gegenwart.
    Nirgal beobachtete ihr Gesicht, wenn sie sprach. Sorglos, schlau, vertrauensvoll.
    Eine Minoerin: Dunkles Haar, dunkle Augen, Adlernase, dramatische Oberlippe. Mediterrane Vorfahren. Vielleicht griechisch, arabisch, indisch. Wie bei den meisten Yonsei war das schwer zu sagen. Sie war einfach eine Marsfrau, mit einem

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