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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Gedankengang geführt hatte. Für Sax klang es wie eine natürliche Folgerung, wenn die Aktionen vieler Menschen darauf hinwiesen, daß sie leider recht töricht waren. Und das limbische System war in manchen Geistern völlig verdreht; so fuhr Michel fort und versuchte, sich davon abzuwenden und eine dezente Erklärung dafür zu geben. Adrenalin und Testosteron drängten immer auf eine rasche Reaktion; und in manchen üblen Lagen wurde ein Kreislauf von Befriedigung etabliert in der Achse von Verletzung und Wiedervergeltung; und dann verloren die betroffenen Menschen nicht nur das Gefühl für den Nächsten, sondern auch rationales Selbstinteresse. Wirklich krankhaft.
    Sax fühlte sich selbst nicht ganz wohl. Michel hatte in weniger als einer Viertelstunde das menschliche Böse auf verschiedene Weise wegerklärt; und dennoch blieben den Menschen auf der Erde noch viele Antworten übrig. Marsmenschen waren anders. Obwohl es in Kasei Vallis Folterer gegeben hatte, wie ihm wohl bekannt war. Aber das waren Siedler von der Erde gewesen. Ja, ihm war nicht recht wohl. Die jungen Eingeborenen waren nicht wie jene. Waren sie es wirklich? Ein Marsmann, der eine Frau schlug oder ein Kind belästigte, würde verfemt, gebrandmarkt und vielleicht geprügelt werden. Er würde sein Heim verlieren, auf die Asteroiden verbannt werden und nie zurückkehren. Nicht wahr?
    Etwas zum Nachdenken.
    Dann dachte er wieder an Ann. Oder wie sie war: Ihre so hartnäckige Art, ihre Konzentration auf Wissenschaft und auf Steine. Vielleicht eine Art von apollinischer Reaktion. Richtung auf das Abstrakte, Verleugnung des Körpers und daher seiner ganzen Qual. Vielleicht.
    »Was würde Ann jetzt helfen?« fragte Sax.
    Michel zuckte wieder die Achseln. »Darüber denke ich schon seit Jahren nach. Ich glaube, der Mars hat ihr geholfen. Ich glaube, daß Simon ihr geholfen hat, und Peter. Aber die sind alle irgendwie distanziert gewesen. Sie ändern nicht das Fundamentale in ihr.«
    Sax zeigte auf die Caldera und sagte: »Aber sie liebt all dies. Wirklich!« Er dachte über Michels Analyse nach. »Es ist nicht bloß ein Nein. Es steckt auch ein Ja darin. Eine Liebe zum Mars.«
    »Aber wenn man Stein und nicht Menschen liebt, ist das nicht irgendwie ein wenig... unausgeglichen«, wandte Michel ein. »Oder verfehlt? Ann ist ein großer Geist, wie du weißt...«
    »Allerdings.«
    »Und sie hat viel geschafft. Aber sie scheint damit nicht zufrieden zu sein.«
    »Ihr gefällt nicht, was mit ihrer Welt geschieht.«
    »Nein. Aber ist es wirklich das, was sie so verabscheut? Oder am meisten verabscheut? Ich bin da nicht so sicher. Es scheint mir wieder verfehlt zu sein. Die Liebe genau wie der Haß.«
    Sax schüttelte den Kopf. Es war wirklich erstaunlich, daß Michel die Psychologie überhaupt für eine Wissenschaft halten konnte. Sie enthielt so viel, das zusammengewürfelt war. Die Vorstellung des Verstandes als einer Dampfmaschine, die während der Geburt der modernen Psychologie so bequeme mechanische Analogie. Das hatten die Leute immer gemacht, wenn sie über den Verstand nachdachten. Für Descartes ein Uhrwerk, geologische Veränderungen für die frühen Victorianer, Computer oder Holographie für das zwanzigste Jahrhundert. Auch für das einundzwanzigste ... und für die freudianischen Traditionalisten Dampfmaschinen. Anwendung von Wärme, Aufbau von Druck, Druckverlagerung, Herauslassen, alles verschoben in Unterdrückung, Sublimation und Wiederkehr des Zusammengedrückten. Sax hielt Dampfmaschinen nicht für ein passendes Modell für den menschlichen Geist. Der Geist war mehr - wie was? Eine Ökologie, ein Fjellfeld oder auch ein Dschungel, bevölkert mit wilden Tieren jeder Art.
    Oder ein Universum voller Sterne, Quasare und Schwarzer Löcher. Nun, das wäre etwas großartig, wirklich mehr als eine komplexe Sammlung von Synapsen und Axonen, von chemischen Energien, die immer höher aufstiegen wie Wetter in der Atmosphäre. Das war besser - Wetter, Sturmfronten des Denkens, Hochdruckzonen, Tiefdruckzellen, Wirbelstürme, Strahlströme biologischen Verlangens, die immer ihre schnellen kraftvollen Runden machten... Leben im Wind. Gut. Zusammenwerfen. Der Geist war wirklich noch kaum erforscht.
    »Was denkst du?« fragte Michel.
    »Manchmal bin ich besorgt wegen der theoretischen Grundlage deiner Diagnosen«, gab Sax zu.
    »O nein, sie sind empirisch sehr gut gestützt, sie sind sehr präzise und akkurat.«
    »Sowohl präzise als auch akkurat?«
    »Nun,

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