Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
zugeschneiten Pflanzen, die durch ihre Winterhärte schon stillgelegt waren, nicht so viel Schaden anrichten würden. Das war schwer zu sagen. Er wollte sich in das Feld begeben und selbst schauen. Natürlich würde es Monate oder vielleicht Jahre dauern, ehe ein Unterschied quantifizierbar würde. Außer vielleicht beim Wetter selbst. Das Wetter konnte man nur durch Beobachtung der meteorologischen Daten verfolgen, was er schon tat, indem er viele Stunden vor Satelliten- und Wetterkarten verbrachte und auf die ersten Anzeichen wartete. Es war für ihn eine nützliche Ablenkung, wenn Leute zu ihm kamen, um gegen die Entfernung der Spiegel zu demonstrieren - eine in der dem Ereignis folgenden Woche so häufige Erscheinung, daß es schließlich lästig wurde.
Unglücklicherweise war das Wetter auf dem Mars so veränderlich, daß schwer zu sagen war, ob es von der Entfernung der großen Spiegel beeinflußt wurde oder nicht. Nach Meinung von Sax eine sehr betrübliche Aussage über den Stand ihres Verständnisses der Atmosphäre. Aber so war es nun einmal. Das Marswetter war ein heftiges halbchaotisches System. In mancher Hinsicht ähnelte es dem der Erde, was nicht überraschte, da es dabei um Luft und Wasser ging, welche sich um die Oberfläche einer rotierenden Kugel bewegten. Die Corioliskräfte waren überall dieselben und so gab es wie auf der Erde tropische Ostwinde, gemäßigte Westwinde, polare Ostwinde, Ankerpunkte für Strahlströme und so weiter. Das war auch schon fast alles, was man über das Marswetter mit Sicherheit aussagen konnte. Nun gut, man konnte bemerken, daß es im Süden kälter und trockener war als im Norden. Daß es von hohen Vulkanen oder Bergketten Fallwinde mit Regen gab. Daß es am Äquator wärmer war und kühler an den Polen. Aber derart naheliegende Verallgemeinerungen waren alles, was sich zuversichtlich behaupten ließ, außer für einige lokale Muster, obwohl diese zumeist zahlreichen Variationen unterlagen und mehr eine Sache hoch analysierter Statistik als erlebter Erfahrung waren. Mit Aufzeichnungen von nur 52 Marsjahren, mit einer die ganze Zeit radikal dichter werdenden Atmosphäre und ständig an die Oberfläche gepumptem Wasser etc. war es wirklich recht schwierig zu sagen, was normale oder durchschnittliche Verhältnisse sein könnten.
Inzwischen fand Sax, daß es immer schwieriger wurde, sich auf Ost-Pavonis zu konzentrieren. Leute unterbrachen ihn, um sich über die Spiegel zu beklagen, und die unbeständige politische Lage schlingerte dahin in Stürmen, die so wenig vorherzusagen waren wie die des Wetters. Es war schon klar, daß die Beseitigung der Spiegel nicht alle Roten besänftigt hatte. Es gab fast jeden Tag Sabotage von Terraformprojekten und manchmal heftige Kämpfe zur Verteidigung solcher Projekte. Und Berichte von der Erde, die Sax sich zwang, täglich eine Stunde lang zu verfolgen, machten deutlich, daß es dort einige Kräfte gab, die die Dinge so zu halten suchten, wie sie vor der Flut gewesen waren - in scharfem Konflikt mit anderen Gruppen, die aus der Flut auf die gleiche Weise Vorteil zu ziehen beabsichtigten, wie es die Revolutionen auf dem Mars getan hatten, indem sie diese als einen Umbruch in der Geschichte und ein Sprungbrett für irgendeine neue Ordnung, einen Neuanfang, benutzten. Aber die Metanationalen gaben nicht so leicht auf, und auf der Erde hatten sie sich verschanzt. Sie verfügten über enorme Hilfsmittel, und kein bloßer Anstieg des Meeresniveaus um sieben Meter konnte sie außer Gefecht setzen.
Sax schaltete nach so einer bedrückenden Stunde seinen Bildschirm aus und traf sich mit Michel zum Essen draußen in seinem Rover.
Als er Wasser zum Kochen aufsetzte, sagte er: »So etwas wie einen frischen Start gibt es nicht.«
»Was ist mit dem Urknall?« meinte Michel.
»So wie ich es verstehe, gibt es Theorien, die vorschlagen, daß die Klumpigkeit des frühen Universums durch die frühere Klumpigkeit des vorherigen Universums verursacht wurde, das in seinem großen Schnurps zusammenbrach.«
»Ich hätte gedacht, daß dadurch alle Unregelmäßigkeiten kollabieren würden.«
»Singularitäten sind seltsam. Außerhalb ihres Ereignishorizonts erlauben Quanteneffekte das Erscheinen mancher Partikel. Dann bewirkte die kosmische Inflation, welche jene Partikel hinausbläst, anscheinend, daß kleine Klumpen auftraten und zu großen wurden.« Sax runzelte die Stirn. Das klang nach der Theoriegruppe von Da Vinci. »Aber ich hatte die Flut
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