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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Landschaft.
    Wenn man darüberfuhr, sah es für das Auge dem Rest der südlichen Hochländer sehr ähnlich. Rauhes, buckliges, löchriges, zerklüftetes Land. Eine wilde Felsenlandschaft. Die alten Lavaströme waren als glatte, gelappte Kurven dunklen Gesteins zu erkennen wie auf und ab wogende Gezeiten. Helle und dunkle Windstriche markierten das Land und zeigten Staub verschiedener Gewichte und Konsistenzen an. Es gab helle lange Dreiecke auf den Südostseiten von Kratern und Felsblöcken, dunkle Zickzackbänder nordwestlich davon und dunkle Flecken an den Innenseiten der vielen randlosen Krater. Der nächste große Sturm würde alle diese Muster abändern.
    Sax fuhr mit großem Vergnügen über die losen Steinwellen immer weiter nach unten und dann wieder hoch. Er las die Sandbilder der Staubstreifen wie eine Windkarte. Er reiste nicht in einem Felsenwagen mit seinem niedrigen Raum und seinem Hasten von einem Versteck zum nächsten, sondern im großen kastenartigen Wohnwagen eines Areologen, mit Fenstern auf allen vier Seiten des dreistöckigen Fahrerabteils. Es war wirklich ein sehr großes Vergnügen, in dem schwachen hellen Tageslicht dahin zu rollen, auf und ab, auf und ab über die von Sand gestreifte Ebene mit für den Mars sehr entfernten Horizonten. Es gab niemanden, vor dem er sich verstecken müßte, oder der ihn verfolgte. Er war ein freier Mann auf einem freien Planeten; und wenn er Lust hatte, könnte er mit seinem Wagen rund um die Welt fahren. Oder wohin er sonst wollte.
    Es dauerte etwa zwei Tage, bis er den vollen Eindruck dieses Gefühls erkannte. Selbst dann war er sich noch nicht sicher, es verstanden zu haben. Es war eine Empfindung von Leichtigkeit, einer seltsamen Leichtigkeit, die ihn veranlaßte, den Mund wiederholt zu leichtem Lächeln ohne deutlichen Grund zu verziehen. Vorher war er sich nicht ausdrücklich eines Gefühls von Bedrängnis oder Angst bewußt gewesen, aber ihm schien, daß es das vielleicht seit 2061 gegeben hätte - vielleicht sogar in den Jahren davor. Sechsundsechzig Jahre der Furcht, ignoriert und vergessen, aber immer vorhanden - eine gewisse Spannung in der Muskulatur, eine kleine vergessene Angst im Kern der Dinge. »Sechsundsechzig Flaschen voller Furcht an der Wand - man reiche sie herum! - Sechsundsechzig Flaschen voller Furcht!«
    Jetzt war das vorbei. Er war frei, seine Welt war frei. Er fuhr die vom Wind gezeichnete abschüssige Ebene hinunter; und früher an diesem Tage war Schnee in den Spalten erschienen und schimmerte wäßrig auf eine Weise, wie Staub das nie tat. Und dann Flechten. Er fuhr in die Atmosphäre hinunter. Und es gab jetzt keinen Grund, warum das Leben nicht so weitergehen könnte, indem es alle Tage in seinem Weltenlabor herumtrödelte und alles andere ebenso frei war wie das!
    Das war ein tolles Gefühl.
    Oh, sie konnten sich auf Pavonis streiten und würden das auch sicher tun. Tatsächlich überall. Sie waren ein höchst ungewöhnlich zanksüchtiger Haufen. Welche Soziologie konnte das erklären? Schwer zu sagen. Und auf jeden Fall hatten sie trotz ihres Haders kooperiert. Es hätte nur ein zeitweiliges Zusammenfallen von Interessen sein können; aber alles war jetzt nur zeitweilig, da so viele Traditionen gebrochen oder verschwunden waren. Es war nur geblieben, was John die Notwendigkeit des Schaffens< zu nennen pflegte; und Schaffen war hart. Nicht jedermann war darin so gut, wie sie es waren, während sie sich beklagten.
    Aber sie hatten jetzt als Gruppe gewisse Fähigkeiten, als eine... Zivilisation. Der angesammelte Schatz wissenschaftlicher Kenntnisse wuchs in der Tat rapide; und dieses Wissen gab ihnen eine Menge von Kräften, die durch ein einzelnes Individuum kaum begreifbar waren, selbst in Umrissen nicht. Aber es waren große Kräfte, ob man sie verstand oder nicht. Gottgleiche Kräfte, wie Michel sie nannte, obwohl es nicht notwendig war, sie zu übertreiben oder das Problem zu verwirren. Es waren Kräfte in der materiellen Welt, real, aber durch die Realität beschränkt. Was nichtsdestoweniger erlauben könnte - so sah Sax es als möglich an -, daß sie, recht angewandt, schließlich dennoch eine anständige menschliche Zivilisation hervorbringen konnten. Nach all den Jahrhunderten des Versuchens. Und warum auch nicht? Warum nicht? Warum nicht das ganze Unternehmen auf dem höchstmöglichen Niveau ansiedeln? Sie konnten für einen jeden gerecht sorgen, sie konnten Krankheiten heilen, sie konnten das Greisenalter verzögern,

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