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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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»Oxidrot, das sollte richtig sein, denn Eisen bewirkt ja auch diese Farbe.«
    »Aber es ist ein wenig zu dunkel. Sieh hin!«
    »Stimmt.«
    »Bräunlichrot.«
    »Rötlichbraun.«
    Zimt, Sienna, Persisch Orange, Sonnenbrand, Kamel, Rostbraun, Sahara, Chromorange... Sie lachten. Nichts war genau richtig. Maya entschied: »Wir nennen es Mars-Orange.«
    »Fein! Aber schau, wieviel mehr Namen es für diese Farben gibt als für die Purpurtöne. Warum das?«
    Maya zuckte die Achseln. Sax las weiter im Begleitmaterial für die Tafel, um zu sehen, ob dort etwas darüber gesagt wurde. »Ah! Es scheint, daß die Stäbchen in der Netzhaut dazu tendierten, in den drei Grundfarben am besten zu sehen. Darum gibt es in der Nähe davon viele Unterscheidungen, während die dazwischen liegenden gemischt sind.« Dann fiel ihm in der sich purpurn färbenden Dämmerung ein Satz ein, der ihn so überraschte, daß er ihn laut vorlas:
    »Rot und Grün bilden ein weiteres Paar, das man nicht simultan als Komponenten der gleichen Farbe erkennen kann.«
    »Das stimmt nicht«, sagte Maya sofort. »Das ist nur, weil sie einen Farbkreis benutzen und diese beiden auf entgegengesetzten Seiten liegen.«
    »Was meinst du? Daß es mehr Farben gibt als diese?«
    »Natürlich. Künstlerfarben, Theaterfarben. Wenn man jemandem einen grünen Fleck und einen roten Fleck aufträgt, bekommt man wohl eine Farbe, und die ist nicht rot oder grün.«
    »Aber was ist sie? Hat sie einen Namen?«
    »Ich weiß nicht. Schau in das Farbenrad eines Künstlers!«
    Und das tat er, und sie auch. Sie fand es zuerst: »Hier. Gebrannte Umbra, indisches Rot, Krapp-Alizarin... Das sind alles grünrote Mischungen.«
    »Interessant! Rotgrüne Mischungen!... lauter grünrote Mischungen.«
    Sie sah ihn an. »Wir sprechen hier über Farben, Sax, und nicht über Politik.«
    »Ich weiß, ich weiß. Sei nicht albern!«
    »Aber meinst du nicht, daß wir eine rotgrüne Mischung brauchen?«
    »Politisch? Sax, es gibt schon eine rotgrüne Mischung. Das ist das Problem. Der Freie Mars hat die Roten an Bord genommen, um die Einwanderung zu stoppen, und darum sind sie so erfolgreich. Sie schließen sich zusammen und sperren den Mars für die Erde, und bald werden sie wieder Krieg mit ihnen führen. Ich sage dir, das kann ich kommen sehen. Wir rutschen wie auf einer Spirale hinein.«
    »Hmm«, machte Sax ernüchtert. Er kümmerte sich in diesen Tagen nicht um die Politik des Sonnensystems, wußte aber, daß Maya, die ein sehr scharfes Auge für diese Dinge hatte, sich immer mehr Sorgen darüber machte - mit dem bei ihr üblichen sarkastischen Spritzer von Genugtuung angesichts des Nahens der Krise. Darum war es vielleicht nicht ganz so schlimm, wie sie meinte. Wahrscheinlich würde er sich bald wieder darum kümmern müssen. Aber inzwischen ...
    »Das ist nicht Indigo, das ist Königsblau.«
    »Aber sie sollten es nicht blau nennen, wenn etwas Rot darin ist.«
    »Sollten sie nicht. Schau, Marineblau, Preußischblau, Königsblau - da ist überall Rot drin.«
    »Aber jene Farbe am Horizont ist keine davon.«
    »Nein, du hast recht. Nicht klassifizierbar.«
    Sie vermerkten das auf ihren Karten. Ls 24, m-Jahr 91, September 2205 - eine neue Farbe. Und damit verging wieder ein Abend.
    Dann saßen sie an einem Winterabend in der Stunde vor Sonnenuntergang auf der westlichsten Bank. Alles war still, das Hellas-Meer wie eine Glasscheibe, der Himmel wolkenlos, rein, sauber, klar; und als die Sonne sank, da verschob sich alles über das Spektrum ins Blaue, bis Maya von ihrem Nizza-Salat aufschaute und Sax am Arm packte. »O mein Gott, schau!« Sie schob ihren Papierteller beiseite, und beide standen sie instinktiv auf - wie alte Veteranen, wenn sie die Nationalhymne einer näherkommenden Parade hören. Sax verschlang seinen Hamburger mit einem Bissen, sagte: »Ah!« und schaute. Alles war blau, himmelblau, blau wie der Himmel der Erde, und durchtränkte alles während des größten Teils einer Stunde, überflutete ihre Netzhäute und die Nervenbahnen in ihren Gehirnen, die sich ohne Zweifel lange nach dieser Farbe gesehnt hatten, nach der für immer verlassenen Heimat.
     
    Das waren schöne Abende. Aber bei Tag wurden die Dinge immer komplizierter. Sax gab das Studium von Ganzkörperproblemen auf und widmete sich nur noch dem des Gehirns. Das war so, als wolle man die Unendlichkeit halbieren, aber es schlug sich bei den Papieren, die er durchsehen mußte, nieder und es schien so, als wäre das Gehirn

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