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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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bezeichnet wurde, und als ein Freizeitvergnügen oder als ein Zugeständnis des Verfassers bewertet wurde, war dennoch oft von großem Wert für jemanden, der von außen kam. Mit einer allgemeinen Übersicht (obwohl man sie sich besser als eine Untersicht vorstellte, da die aktuellen Arbeiter da oben in den undeutlichen Dachsparren und dem Gebälk des Baus tätig waren) konnte man sich dann zu den Zeitschriften hocharbeiten, zu der von Fachleuten überwachten weißen Literatur<, wo die laufenden Arbeiten verzeichnet waren. Und man konnte die Zusammenfassungen lesen und ein Gefühl dafür bekommen, wer welchen Teil des Problems anging. Öffentlich und ausführlich. Und bei jedem vorliegenden wissenschaftlichen Problem bildeten diejenigen, die aktuell an der Grenze Fortschritte machten, eine besondere Gruppe von Synthetikern und Innovatoren, die in der ganzen Welt nicht mehr als ein Dutzend Leute zählte. Sie erfanden einen neuen Jargon ihres Dialekts, um ihre neuen Erkenntnisse mitzuteilen, diskutierten über Resultate, schlugen neue Wege der Untersuchung vor und gaben einander Jobs in Labors, trafen sich bei Konferenzen, die ausdrücklich dem Thema gewidmet waren, um miteinander zu diskutieren. Sie waren in allen Medien. Und dort ging in den Labors und den Konferenzbars die Arbeit als ein Dialog zwischen Leuten voran, die wußten, worauf es ankam, die die reine harte Arbeit der Experimente leisteten und über die Experimente nachdachten.
    Und diese ganze weite Struktur einer Kultur stand im vollen Licht der Sonne da. Zugänglich für jeden, der sich beteiligen wollte, der willens und fähig war, die Arbeit zu leisten. Es gab keine Geheimnisse und keine verschlossenen Läden. Und wenn jedes Labor und jedes Spezialgebiet seine Politik hatte, so war das eben Politik. Und letztendlich konnte diese Politik die Struktur selbst nicht materiell in Mitleidenschaft ziehen, jenes mathematische Gebäude ihres Verständnisses der Welt der Phänomene. Das hatte Sax immer so verinnerlicht, und keine soziologische Analyse, nicht einmal die verwirrende Erfahrung des Terraformungsprozesses auf dem Mars, hatten ihn je in diesem Glauben wanken gemacht. Wissenschaft war ein soziales Konstrukt, aber sie bildete auch, und das war der wichtigste Punkt daran, ihren eigenen Raum, der nur mit der Realität konform ging. Das war ihre Schönheit. Wahrheit ist Schönheit, wie der Dichter gesagt hat, als er über die Wissenschaft sprach. Und so war es auch. Der Dichter hatte recht gehabt (was nicht immer zutraf).
    Und so bewegte Sax sich weiter in der großen Struktur, behaglich, fähig und auf mehreren Ebenen zufrieden.
     
    Aber er begann auch zu verstehen, daß, so schön und mächtig die Wissenschaft auch sein mochte, das Problem des biologischen Alterns vielleicht zu schwierig war. Nicht so kompliziert, daß es nie gelöst werden würde, aber einfach zu schwierig, als daß es zu seinen Lebzeiten gelöst werden würde. Es war tatsächlich noch eine offene Frage, wie groß das Problem tatsächlich war. Das Verständnis von Materie, Raum und Zeit war unvollkommen; und es war nie auszuschließen, daß es sich immer wieder in Metaphysik auflöste, wie die Spekulationen über den Kosmos vor dem Urknall oder über Dinge kleiner als Strings. Andererseits könnte die Welt fortschrittlicheren Erklärungen zugänglich sein, bis sie schließlich (vom String bis zum Kosmos) in den Bereich des großen Parthenons gerückt würde. Beide Resultate waren möglich, das Urteil war noch nicht gefallen. Die nächsten tausend Jahre könnten die Geschichte erzählen.
    Die Ausfälle machten Sax zu schaffen. Und manchmal litt er an Atemnot. Bisweilen schien sein Herz zu heftig zu schlagen. Nachts schlief er selten. Und zu allem Überfluß war Michel tot, so daß Sax in seiner Meinung über den Sinn der Dinge unsicher wurde und er eigentlich eines Gefährten bedurfte, der ihn stabilisieren konnte. Wenn er es schaffte, überhaupt über alles auf der Ebene des Sinnes nachzudenken, stellte er fest, daß er sich in einem Rennen befand. Er und jeder andere, aber besonders die Spezialisten, die akut an diesem Problem arbeiteten. Um es zu lösen, mußten sie eine der größten unerklärlichen Fragen beantworten - und Zeit im Übermaß hatten sie nicht.
    Und eines Tages, als er sich nach einem Tag vor seinem Bildschirm mit Maya auf eine Bank setzte und an die Unermeßlichkeit dieses wachsenden Zweiges des Parthenons dachte, erkannte er, daß dies ein Rennen war, das er nicht

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