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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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sozusagen das Herz des Problems. Es gab Veränderungen in einem überalterten Gehirn, die sowohl bei der Autopsie zu erkennen waren wie bei den verschiedenen Kontrollen des Blutstroms, in der elektrischen Aktivität, im Proteinverbrauch, Zuckerverbrauch, der Wärme und allen übrigen indirekten Tests, die man im Laufe der Jahrhunderte beim Studium des lebenden Gehirns während mentaler Aktivität jeder Art ersonnen hatte. Zu den beobachteten Veränderungen im überalterten Gehirn zählte die Verkalkung der Zirbeldrüse, durch die die Menge des von ihr produzierten Melatonins vermindert wurde. Zufuhr synthetischen Melatonins war Teil der Langlebigkeitsbehandlung. Aber natürlich wäre es besser, gleich zu Anfang die Verkalkung zu stoppen, weil sie wahrscheinlich noch andere Effekte hatte. Ferner gab es eine deutliche Zunahme von neurofibrillaren Verflechtungen, die Aggregate von Proteinfilamenten waren, die zwischen den Neuronen wuchsen und physischen Druck auf sie ausübten - vielleicht analog zu dem Druck, den Maya während ihrer presque vus meldete. Wer konnte das sagen? Dann wiederum sammelte sich Beta-Amyloid-Protein in den zerebralen Blutgefäßen und im interzellularen Raum um die Nerventerminals, wodurch abermals die Funktion behindert wurde. Und pyramidale Neuronen im frontalen Cortex und Hippocampus sammelten Calpain an, wodurch sie verwundbar gegenüber Kalziumzuflüssen wurden, die sie beschädigten. Und das waren Zellen, die sich nicht teilen, ebenso alt wie der Organismus selbst waren. Bei ihnen war ein Dauerschaden permanent, wie bei dem Schlag, den Sax erlitten hatte. Er hatte bei diesem Vorfall, an den er nicht gern zurück dachte, einen großen Teil seines Gehirns eingebüßt. Und auch die Fähigkeit der Moleküle, sich in diesen Zellen, die sich nicht teilen, zu ersetzen, könnte geschädigt werden - ein scheinbar kleiner, aber im Laufe der Zeit ebenso bedeutsamer Verlust. Autopsien von Menschen, die über zweihundert Jahre gelebt und an dem raschen Verfall gestorben waren, zeigten regelmäßig eine starke Verkalkung der Zirbeldrüse in Verbindung mit erhöhtem Calpain-Niveau im Hippocampus. Und Hippocampus wie Calpainspiegel spielten beide eine Rolle bei einigen führenden Modellen zur Gedächtnisfunktion. Das war ein interessanter Zusammenhang.
    Aber das alles führte nicht weiter. Und niemand würde das Geheimnis allein durch das Literaturstudium lösen können. Aber die Experimente, die zur Aufklärung hätten beitragen können, waren wegen der Unzugänglichkeit des lebenden Gehirns nicht machbar. Man konnte Hühner, Mäuse, Ratten, Hunde, Schweine, Lemuren und Schimpansen töten; man konnte Individuen jeder Spezies der Schöpfung töten, auch die Gehirne ihrer Föten und Embryos sezieren, aber niemals das finden, wonach man suchte. Denn die Autopsie allein war für das Vorhaben unzureichend. Die verschiedenen Scans an lebenden Objekten waren genauso unvollkommen, da die in Betracht kommenden Prozesse entweder feinkörniger waren, als die Scans erkennen ließen, oder holistischer oder kombinatorischer oder wahrscheinlich alles zugleich.
    Indessen waren einige Experimente und die daraus folgenden Modelle anregend. Der Aufbau von Calpain schien beispielsweise die Funktion der Gehirnwellen zu verändern. Dies und andere Faktoren lieferten Sax Ideen für seine weitere Forschung. Er begann, intensiv die Literatur über die Effekte kalziumbindender Proteinspiegel zu lesen, über Cortisteroide, über die Kalziumströme in den hippocampischen pyramidalen Neuronen und über die Verkalkung der Zirbeldrüse. Es schien synergistische Effekte zu geben, die sowohl das Gedächtnis als auch die allgemeine Gehirnwellenfunktion beeinflussen könnten, überhaupt alle körperlichen Rhythmen einschließlich Herzrhythmen. Sax fragte Maya: »Hatte Michel irgendwelche Gedächtnisprobleme? Vielleicht fühlte er, daß er ganze Gedankenkomplexe verlor, selbst sehr wichtige Gedanken?«
    Maya zuckte die Achseln. Aber Michel war inzwischen schon fast ein Jahr tot.
    »Ich kann mich nicht entsinnen.«
    Das machte Sax nervös. Maya schien sich zurückzuziehen. Ihr Gedächtnis wurde jeden Tag schlechter. Selbst Nadia konnte nichts für sie tun. Sax kam mit ihr immer häufiger zusammen an der Corniche. Das war eine Gewohnheit, die sie beide offenbar genossen. Obwohl sie nie darüber sprachen. Sie saßen einfach da, aßen eine Kleinigkeit vom Kiosk, beobachteten den Sonnenuntergang und holten ihre Farbtafeln heraus, um zu sehen,

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