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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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erkundigt und festgestellt, daß sie jetzt in der Caldera von Olympus Mons lebte, als Mitglied einer kleinen Gemeinschaft roter Bergsteiger, die dort wohnten. Offenbar gab es in der Caldera Schichtwechsel, um die Bevölkerung klein zu halten trotz der steilen Wände des großen Lochs und der primitiven Bedingungen, die für sie so attraktiv waren. Aber Ann blieb, solange sie Lust hatte, wie Sax gehört hatte, und ging nur selten fort. Das hatte Peter ihm erzählt, obwohl der es auch nur aus zweiter Hand gehört hatte. Schade, daß die beiden sich entfremdet hatten, grundlos. Aber familiäre Entfremdungen schienen die unversöhnlichsten von allen zu sein.
    Jedenfalls befand sie sich auf Olympus Mons. Der war fast in Sicht, gerade im Süden über dem Horizont. Und er wollte mit ihr sprechen. Er dachte, alle seine Überlegungen dazu, was auf dem Mars geschah, waren wie ein internes Gespräch mit Ann gestaltet. Nicht so sehr als Streitgespräch, so hoffte er, sondern als eine endlose Überredung. Wenn er durch die Realität des blauen Mars so verändert werden konnte, warum dann nicht auch Ann? War das nicht unvermeidlich und sogar notwendig? Hätte es vielleicht schon geschehen sein können? Sax fühlte, daß er im Laufe der Jahre das zu lieben gelernt hatte, was Ann am Mars gefiel. Und jetzt wollte er, daß sie, wenn möglich, es erwiderte. Sie war für ihn auf höchst unbequeme Weise sein Maß für den Wert dessen geworden, was sie geleistet hatten. Den Wert oder die Akzeptanz. Es war ein seltsames Gefühl, das sich in ihm gebildet hatte, aber es war da.
    Noch ein unangenehmer Kloß in seinem Geist, wie die plötzlich wieder entdeckte Schuld an Johns Tod, die er versuchen wollte, wieder zu vergessen. Wenn er die interessanten Gedanken auslöschen konnte, sollte er auch imstande sein, die schrecklichen zu tilgen, nicht wahr? John war gestorben; und nichts, was in seiner Macht gestanden hatte, würde das verhindert haben. Sehr wahrscheinlich. Man konnte es nicht klären. Und man konnte auch nicht zurückgehen. John war getötet worden, und Sax hatte es versäumt, ihm zu helfen. Und Sax war am Leben, und John war tot. Nichts als ein starkes verknotetes Netzwerk in den Köpfen aller Leute, die ihn gekannt hatten. Und man konnte nichts machen.
    Aber Ann lebte und kletterte da oben die Wände der Caldera von Olympus empor. Er konnte mit ihr reden, wenn er wollte. Obwohl sie nicht herauskommen würde. Er würde sie aufspüren müssen. Aber das konnte er machen. So war es. Der eigentliche Stachel von Johns Tod lag im Tod dieser Chance; er konnte nicht mehr mit ihm sprechen. Aber er konnte immer noch mit Ann sprechen. Diese Chance gab es.
     
    Die Arbeiten an dem Anamnesie-Problem gingen weiter. Acheron war in dieser Hinsicht ein Vergnügen. Tagsüber in den Labors, Gespräche mit den Labordirektoren über ihre Experimente und sehen, ob er helfen konnte. Wöchentlich Seminare, wo man vor den Schirmen zusammenkam, die Resultate austauschte und sich über mögliche Auslegungen unterhielt, und was man als nächstes versuchen sollte. Leute unterbrachen ihre Arbeit, um auf der Farm zu helfen, andere Angelegenheiten zu erledigen oder auf Reisen zu gehen. Aber es gab andere zur Vertretung; und wenn die Wissenschaftler zurückkehrten, hatten sie oft neue Ideen gehabt und waren immer frisch mit Energie geladen. Sax saß nach den wöchentlichen Zusammenkünften immer noch eine Weile in den Seminarräumen und sah sich die Kaffeetassen und die Ringe von braunem Kaffee und schwarzen Kavaflecken auf den abgenutzten Tischplatten und die blanken Tafelschirme an. Sie waren bedeckt von Schemata chemischer Diagramme und großen gebogenen Pfeilen, die auf Akronyme zeigten und alchemische Symbole, wie sie Michel gefallen hätten. Und etwas in ihm erglühte, bis es schmerzte - irgendeine parasympathetische Reaktion, die aus seinem limbischen System ausströmte. Ja bei Gott, das war jetzt Wissenschaft, in den Händen der Wissenschaftler selbst, die zusammen für ein kollektives Ziel arbeiteten, das sinnvoll war, und dem Allgemeinwohl diente. Sie stießen bis an die Grenze ihres Wissens vor. Theorie und Experiment flogen hin und her wie Pingpongbälle. Woche um Woche fanden sie mehr und steckten sich neue Ziele. Sie dehnten den großen unsichtbaren Parthenon bis in das noch nicht kartierte Territorium des menschlichen Geistes aus, in das Leben selbst. Das machte ihn so glücklich, daß es ihn fast nicht kümmerte, wenn sie etwas herausfanden. Die

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