Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
ähnlich. Dieses Steinplateau hier und seine kleinen verborgenen Habitate wirkten uralt, obwohl die Gartenarbeit sicher von den Okopoeten Acherons geleistet worden war. Viele dieser Oasen waren Experimente, und Sax behandelte sie auch als solche. Er blieb außerhalb davon und blickte in eine Grube mit steilen Wänden nach der anderen und fragte sich, was der dafür verantwortliche Ökopoet mit seiner oder ihrer Arbeit herausfinden wollte. Hier konnte man Humus ausstreuen, ohne zu befürchten, daß er ins Meer gespült würde, obwohl das aufregende Grün der sich bis in die Täler hinaufziehenden Flußmündungen zeigte, daß einiger fruchtbarer Boden seinen Weg stromabwärts nahm. Diese Mündungsmarschen würden sich mit erodierten Böden füllen, während sie gleichzeitig salziger werden würden wie das Nordmeer selbst...
Aber diesmal wurden seine Beobachtungen draußen immer wieder durch Gedanken an John unterbrochen. John Boone hatte in den letzten paar Jahren seines Lebens für ihn gearbeitet; und sie hatten viele Besprechungen, in denen sie die sich rasch entwickelnde Vegetation des Mars erörterten. Es waren vitale Jahre gewesen; und John war in ihnen stets glücklich gewesen, fröhlich, zuversichtlich, ein verläßlicher loyaler Freund, höflich, folgsam, heiter, fürsorglich, mutig, strahlend und hingebungsvoll. Nein, nicht genau. Er war auch schroff, ungeduldig, arrogant, faul, schlampig, drogenabhängig und stolz gewesen. Aber Sax hatte sich mit der Zeit mehr und mehr auf ihn verlassen. Er hatte ihn geliebt wie einen großen Bruder, der ihn draußen in der weiten Welt beschützte. Und dann hatten sie ihn getötet. Das sind die Typen, hinter denen die Killer immer her sind. Sie konnten diesen Mut nicht ertragen. Und so hatten sie ihn ermordet; und Sax hatte dagestanden, zugesehen und nichts unternommen. Erstarrt in Schock und persönlicher Angst. Hast du sie nicht aufgehalten? - hatte Maya geschrien. Er erinnerte sich jetzt an ihre scharfe Stimme. Nein, ich hatte Angst. Nein, ich habe nichts unternommen. Natürlich war es unwahrscheinlich, daß er überhaupt etwas hätte tun können. Zuvor, als die Angriffe auf John einsetzten, hätte er ihn vielleicht zu einer anderen Tätigkeit überreden und einige Leibwächter zu seinem Schutz anheuern können, die ihm heimlich folgten und ihn beschützten - wenn seine Freunde als schockierte Augenzeugen erstarrten. Aber er hatte niemanden verpflichtet. Und so war sein Bruder umgebracht worden, sein Bruder, der ihn ausgelacht, aber auch ebenso geliebt hatte, noch bevor ein anderer überhaupt an ihn gedacht hatte.
Sax ging heftig erregt über die zerklüftete Ebene, aufgebracht über den Verlust eines Freundes vor 153 Jahren. Manchmal schien es so, als gäbe es gar keine Zeit.
Dann blieb er plötzlich stehen, in die Gegenwart zurückgeholt durch den Anblick von Leben. Kleine weiße Nagetiere schnupperten auf dem Grün einer eingesunkenen Wiese herum. Es waren ohne Zweifel Schnee-Pfeifhasen oder so etwas; aber in ihrer weißen Farbe sahen sie Laborratten so ähnlich, daß es Sax einen Ruck gab. Weiße Laborratten, ja, aber schwanzlos; mutierte Laborratten, ja, endlich befreit von ihren Käfigen und draußen in der Welt. Sie wanderten über das intensiv grüne Wiesengras wie surreale Objekte einer Halluzination, ganz munter und mit schnuppernden Barthaaren, während sie den Boden nach Leckerbissen absuchten. Sie mampften Samen, Nüsse und Blüten. John hatte sich über die Geschichte von Sax mit den hundert Laborratten sehr amüsiert. Saxens Gedanken, jetzt frei und zerstreut. Das ist unser Körper.
Sax hockte sich hin und beobachtete die kleinen Nager, bis ihm kalt wurde. Auf dieser Ebene gab es auch größere Tiere, und er blieb bei ihnen immer kurz stehen, um sie zu beobachten: Hirsche, Elche, Dickhornschafe, Rentiere, Karibus, Schwarzbären, Grizzlybären, sogar Rudel von Wölfen wie flinke graue Schatten. Sie alle erschienen Sax wie Bürger aus einem Traum. Darum war er jedesmal, wenn er eine einzige Kreatur sichtete, erregt, überrascht und sogar erstaunt. Das schien ihm unmöglich. Es war sicher nicht natürlich. Aber es gab sie hier. Und jetzt diese kleinen Pfeifhasen, glücklich in ihrer Oase. Weder Natur noch Kultur - einfach Mars.
Er dachte an Ann. Er würde sie gerne sehen.
Er dachte in diesen Tagen oft an sie. So viele seiner Freunde waren jetzt tot, aber Ann lebte. Er konnte immer noch mit ihr sprechen, das war zumindest möglich. Er hatte sich
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