Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
delphinartigen Konfigurationen einstellten, wodurch zusammen mit Gegengewichten in den Querstreben der zum Wind gerichtete Rumpf mit dem Wasser in Kontakt blieb, während der leeseitige nicht zu weit untertauchte. Darum schob sich selbst bei mäßigen Winden wie dem, der jetzt ihr entfaltetes Mastsegel wölbte, das Boot auf das Wasser und glitt darüber wie ein Eisboot über das Eis und bewegte sich nur ein paar Prozent langsamer als der Wind selbst. Beim Blick über das Heck konnte Sax erkennen, daß nur ein ganz kleiner Teil der Rümpfe wirklich Kontakt mit dem Wasser hatte. Es sah so aus, als wären das Ruder und die Kiele der Outrigger das einzige, was sie am Fliegen hinderte. Er sah das letzte Ende der Insel Da Vinci unter einem hüpfenden und gezackten Horizont, der nicht mehr als vier Kilometer von ihnen entfernt war, verschwinden. Er sah zu Ann hinüber. Sie klammerte sich an die Reling und schaute zurück auf die strahlend weißen Muster ihres Kielwassers. »Bist du schon einmal auf See gewesen?« fragte Sax. »Das sollte heißen, völlig außer Sicht des Landes.«
»Nein.«
»Ah!«
Sie fuhren weiter nach Norden in die Chryse-Bucht hinaus. Die Insel Copernicus erschien über dem Wasser zu ihrer Rechten und dann dahinter die Insel Galileo. Dann blieben beide wieder unter dem blauen Horizont zurück. Die Dünung am Horizont war merklich, wodurch der Horizont keine gerade blaue Linie vor dem Himmel bildete, sondern vielmehr eine sich verlagernde Anordnung von Wellengipfeln, die rasch aufeinander folgten. Die Grundströmung kam von Nord, fast direkt von vorn, so daß die Linie des Horizonts beim Blick nach Backbord oder Steuerbord besonders gezackt war, eine wellige Linie blauen Wassers gegen den blauen Himmel, die in einem allzu kleinen Kreis das Schiff umrundete, als ob die >richtige< terranische Distanz zum Horizont in der Optik des Gehirns eingebettet wäre. Darum schienen die Dinge, die man hier deutlich sah, immer auf einem Planeten zu sein, der für sie zu klein war. Anns Gesicht zeigte höchstes Mißbehagen. Sie starrte auf die Wellen, die Woge um Woge den Bug und dann das Heck anhoben. Fast rechtwinklig zur Grunddünung gab es einen kurzen unregelmäßigen Wellenschlag, der vom Westwind angetrieben wurde und die größeren breiteren Wellen kräuselte. Physik wie in einem Wellentank. Man konnte alles dargeboten sehen. Es erinnerte Sax an den Physikunterricht im zweiten Stock des am äußersten nordöstlichen Rand des Campus gelegenen Gebäudes seiner High School, wo die Stunden vergangen waren wie Minuten und der flache Wellentank voller Wunder war. Hier war die Grunddünung, die in der ständig nach Osten um den Globus gerichteten Bewegung des Nordmeers entstand. Die Dünung war größer oder kleiner je nachdem, ob sie durch lokale Winde verstärkt oder behindert wurde. Die geringe Schwere bewirkte große breite Wellen, die von starken Winden rasch erzeugt wurden. Wenn zum Beispiel heute der Wind viel stärker würde, müßte der kurze Wellenschlag von Westen rasch größer werden als die Grunddünung von Norden und diese völlig überdecken. Wellen in dem Nordmeer waren bekannt für ihre Größe und Wechselhaftigkeit und die ständigen Überraschungen. Obwohl es auch stimmte, daß sie sich recht langsam durch das Wasser bewegten. Große langsame Berge wie die großen Dünen von Vastitas weit unter ihnen, die um den Planeten wanderten. Manchmal konnten sie wirklich sehr groß werden. Im Gefolge der Taifune, die über das Nordmeer bliesen, waren siebzig Meter hohe Wellen gemessen worden.
Die lebhafte Querdünung schien für Ann schlimm zu sein. Sie sah ziemlich gequält aus. Sax wußte nicht, wie er sie trösten sollte. Er bezweifelte, daß seine Gedanken zur Wellenmechanik hier am Platz waren, obwohl das natürlich für einen jeden, der sich für Physik begeisterte, sehr interessant war. Das galt auch für Ann. Aber vielleicht nicht jetzt. Jetzt sah es so aus, als ob die bloßen Sinneseindrücke von Wasser, Wind und Himmel für sie genug wären. Vielleicht war Schweigen angebracht.
Weiße Schaumkronen begannen über einige Querwellen zu rollen, und Sax schaltete sofort das Wettersystem des Schiffs ein, um nach der Windgeschwindigkeit zu schauen. Sie betrug 32 Kilometer pro Stunde. Das war ungefähr die Geschwindigkeit, bei der die Wellenköpfe zu Brechern wurden. Das war eine einfache, berechenbare Frage des Verhältnisses der Oberflächenspannung zur Windgeschwindigkeit... Ja, die entsprechende
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