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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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aus. »Aber jetzt benötige ich Rat. Wissenschaftlichen Rat. Ich will lernen. Und ich will dir auch einige Dinge zeigen.«
    Aber nach einem Moment des Nachdenkens war sie wieder auf und davon, direkt an ihm vorbei, so daß er unwillkürlich zusammenzuckte. Er eilte ihr nach. Ihre Schritte waren viel länger als seine, und sie bewegte sich so rasch, daß er fast in Laufschritt geriet. Seine Knochen schmerzten.
    »Vielleicht sollten wir hier hinausgehen«, schlug Sax vor. »Es ist egal, wo.«
    »Weil der ganze Planet ruiniert ist«, knurrte sie.
    Sax war hartnäckig: »Du mußt gelegentlich bei Sonnenuntergängen hinausgehen. Vielleicht könnte ich mitkommen.«
    »Nein.«
    »Bitte, Ann!« Sie war gut zu Fuß und weit größer als er, so daß es schwer war, mit ihr Schritt zu halten und gleichzeitig zu sprechen. Er schnaufte und ächzte, und seine Wange schmerzte. »Bitte, Ann!«
    Sie antwortete nicht und wurde nicht langsamer. Sie gingen durch einen Korridor zwischen Suiten, die als Wohnräume dienten. Ann beeilte sich, durch eine Tür zu verschwinden und sie hinter sich zuzuschlagen. Sax drehte den Knauf; sie war verschlossen.
    Alles in allem kein vielversprechender Anfang.
    Eine wahre Hetzjagd. Irgendwie mußte er die Lage ändern, so, daß es keine Verfolgung mehr war. Er knurrte: »Ich werde trotzdem dein Haus niederreißen, auch wenn ich noch so außer Atem bin.« Er donnerte an die Tür. Aber dann waren die beiden jungen Frauen da und starrten ihn vorwurfsvoll an.
    An einem späteren Abend in dieser Woche ging er gegen Sonnenuntergang in den Umkleideraum und zog sich an. Als Ann hereinkam, machte er einen Luftsprung und stotterte: »Ich wollte gerade nach draußen gehen. Ist mit dir alles in Ordnung?«
    »Es ist ein freies Land«, sagte sie nachdrücklich.
    Und dann gingen sie hinaus aufs Land. Die jungen Frauen hätten gestaunt.
     
    Er mußte sehr vorsichtig sein. Obwohl er mit ihr draußen war, um ihr die Schönheit der neuen Biosphäre zu zeigen, würde es natürlich nicht genügen, zu ihr von Pflanzen, Schnee oder Wolken zu sprechen. Man mußte die Dinge für sich selbst sprechen lassen. Das galt vielleicht für alle Phänomene. Man konnte darüber nicht reden. Man konnte nur durchs Land gehen und es für sich sprechen lassen.
    Ann war nicht gesellig. Sie sprach kaum zu ihm. Es war ihre gewöhnliche Route, vermutete er, als er ihr folgte. Er durfte mitkommen.
    Vielleicht war es gestattet, Fragen zu stellen. Das war Wissenschaft. Und Ann blieb öfters stehen, um Steinformationen aus der Nähe zu betrachten. Es war sinnvoll, sich bei solchen Gelegenheiten neben sie zu hocken und mit einer Geste oder einem Wort zu fragen, was sie fand. Sie trugen Schutzanzüge und Helme, obwohl die Höhe gering genug war, um Atmen mit Hilfe einer Filtermaske für Kohlendioxid zu gestatten. Also bestanden die Gespräche nur aus Worten im Ohr, wie in alten Zeiten. Man stellte Fragen.
    Also fragte er. Und Ann antwortete, manchmal auch im Detail. Tempe Terra war wirklich das Land der Zeit. Seine Basisformation war ein übrig gebliebenes Stück der Gebirge des Südens, einer jener Ausläufer davon, die weit in die nördlichen Ebenen hineinragten, den Großen Treffer überlebt hatten. Später war Tempe dann weithin zerbrochen worden, als die Lithosphäre von unten durch den Tharsis-Buckel nach Süden gepreßt wurde. Zu diesen Bruchstellen zählten sowohl die Mareotis Fossae wie die Tempe Fossae, welche sie jetzt umgaben.
    Das Land war so zerbrochen, daß einige späte Vulkane aufgestiegen waren, die sich über die Canyons ergossen hatten. Von einem hohen Grat aus sahen sie in der Ferne einen Vulkan wie einen vom Himmel gefallenen Kegel aufragen und dann einen anderen, der, soweit Sax erkennen konnte, genau wie ein Meteoritenkrater aussah. Ann schüttelte zu dieser Bemerkung den Kopf und deutete auf Lavaströme und Schlote. Merkmale, die alle sichtbar waren, wenn man einmal darauf hingewiesen worden war. Aber nicht alle waren deutlich zu erkennen unter einem Geröll aus später ausgeworfenem Material und - das mußte man zugeben - einer Schicht aus staubigem Schnee, der im Licht des Sonnenuntergangs die Farbe von Sand annahm.
    Anns Vision war, aufgrund eines Jahrhunderts genauer Beobachtung und Studien, die Landschaft in ihrer Geschichte zu sehen, sie wie einen Text zu lesen, der von ihrer langen Vergangenheit geschrieben worden war, und sie zu lieben. Wirklich etwas zu sehen und zu bewundern. Eine Art von Schatz, eine Liebe über

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