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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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der Verfassung zu verankern. Sie sagten, man hätte das da und dort auf der Erde versucht; und als man dann festgestellt hatte, daß es unmöglich war, solche Versprechungen zu erfüllen, wurde die sie garantierende Verfassung als Propagandatrick verunglimpft und dann auch auf allen übrigen Gebieten verhöhnt, bis sie schließlich zu einem schlechten Scherz geworden war.
    »Selbst wenn ihr euch keine Behausung leisten könnt«, sagte Mikhail in scharfem Ton, »ist es euer Recht, dafür zu stimmen,- daß sie euch zustehen soll. Das ist doch ein schlechter Scherz.«
    Die jungen Eingeborenen pflichteten ihm bei, ebenso wie viele andere dort. Damit waren auch ökonomische und soziale Rechte auf dem Tisch; und mit ihnen die Debatten darüber, wie diese Rechte in der Praxis zu garantieren wären, die sich durch viele lange Sitzungen zogen. Nadias Meinung, was das anbelangte, war klar: »Politisch, sozial ist alles eins. Wir sollten sehen, daß alle Rechte funktionieren!«
     
    So ging die Arbeit weiter, sowohl am großen Tisch als auch in den Büros, wo sich die Untergruppen trafen. Selbst die UN waren in Person des UNTA-Chefs Donald Hastings persönlich vertreten, der mit dem Aufzug heruntergekommen war und lebhaft an den Debatten teilnahm. Seine Meinung hatte immer ein besonderes Gewicht. Er begann sogar, Symptome eines Geiselsyndroms zu zeigen, dachte Art. Er wurde nämlich, je länger er mitten im Lagerhaus stand und mit den Leuten diskutierte, immer positiver eingestellt zu den laufenden Diskussionspunkten. Und das könnte auch seine Vorgesetzten auf der Erde beeinflussen.
    Bemerkungen und Anregungen strömten vom Mars genauso ein wie von der Erde. Sie füllten etliche Schirme an einer Wand des großen Raums. Das Interesse an dem Kongreß war überall rege und stand in der Aufmerksamkeit des Publikums sogar in Konkurrenz zu der großen Überschwemmung auf der Erde. »Die Seifenoper der Stunde«, machte Art sich gegenüber Nadia lustig. Jede Nacht trafen die beiden sich in ihrer kleinen Bürosuite und riefen Nirgal und die anderen an. Die Verzögerungen der Antworten der Reisenden wurden immer länger, aber das machte Art und Nadia nicht viel aus. Man hatte reichlich Zeit zum Nachdenken, wenn man darauf wartete, daß ein Teil des Gesprächs von Sax und den anderen eintraf.
    Eines Nachts, als sie sich zurückgezogen hatten, sagte Art: »Dieses Problem global gegen lokal läßt sich hart an. Ich halte es für einen realen Widerspruch. Ich meine, daß es nicht bloß das Resultat verwirrten Denkens ist. Wir brauchen gewiß irgendeine globale Kontrolle und wir brauchen auch Freiheit für die Zelte. Zwei unserer wichtigsten Werte stehen im Gegensatz zueinander.«
    »Vielleicht löst das System der Schweiz einige unserer Probleme«, schlug Nirgal einige Minuten später vor. »Das ist John Boones alte Idee.«
    Aber die Schweizer auf Pavonis waren von dieser Idee nicht besonders angetan. Jürgen zog ein Gesicht und sagte: »Eher ein Gegenmodell. Der Grund, weshalb ich auf dem Mars bin, ist die Bundesregierung der Schweiz. Sie erstickt alles. Man braucht sogar eine Lizenz zum Atmen.«
    »Die Kantone haben überhaupt keine Macht mehr«, sagte Priska, »die Bundesregierung hat sie ihnen genommen.«
    »In manchen Kantonen war es eine gute Sache«, fügte Jürgen hinzu.
    »Interessanter als Bern könnte Graubünden sein«, sagte Priska. »Das heißt die Graue Liga. Die waren Jahrhunderte lang eine lose Konföderation von Städten in der südöstlichen Schweiz. Eine sehr erfolgreiche Organisation.«
    »Würdet ihr alles zusammenstellen, was ihr darüber bekommen könnt?« fragte Art.
    In der folgenden Nacht sahen er und Nadia die Beschreibungen über Graubünden durch, die Priska herübergeschickt hatte. Nun gut... Während der Renaissance hatte es eine gewisse Einfachheit der Affären gegeben, dachte Art. Vielleicht war das falsch; aber irgendwie schienen die extrem lockeren Vereinbarungen der kleinen Schweizer Gebirgsstädte sich nicht gerade gut auf die dicht verflochtenen Ökonomien der Siedlungen des Mars übertragen zu lassen. Graubünden brauchte sich beispielsweise über das Aufkommen unerwünschter Veränderungen im atmosphärischen Druck keine Sorgen zu machen. Nein - die Wahrheit war, daß sie sich in einer ganz neuen Situation befanden. Es gab keine historische Analogie, die für sie jetzt hilfreich sein könnte.
    »Apropos global gegen lokal - was ist mit dem Land außerhalb der Kuppeln und überdachten Canyons?«

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