Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Er schüttelte finster den Kopf.
»Ich verstehe, daß du das für eine dumme Frage hältst«, sagte Art. »Tut mir leid. Es ist eine schlechte Angewohnheit, in Wählerschaften zu denken. Also: Was denkst du darüber?«
Nazik lachte. »Du könntest genausogut fragen, was der Rest der Qahiran denkt. Die kennt er ganz genau.«
»Sehr genau«, wiederholte Zeyk.
»Glaubst du, daß der Abschnitt über Menschenrechte bei ihnen ankommt?«
Zeyk runzelte die Stirn. »Ohne Zweifel werden wir die Verfassung unterzeichnen.«
»Aber diese Rechte... Ich dachte, es gäbe noch keine arabischen Demokratien?«
»Wie meinst du denn das? Schließlich gibt es da Palästina, Ägypten... Aber wir haben es hier mit dem Mars zu tun. Und hier hat jede Karawane von Anfang an ihren eigenen Staat gebildet.«
»Starke Führer, erbliche Führer?«
»Nicht erblich. Starke Führer - ja. Wir denken nicht, daß die neue Verfassung das beenden wird. Warum sollte sie? Du bist selbst ein starker Führer, nicht wahr?«
Art lachte unbehaglich. »Ich bin bloß ein Bote.«
Zeyk schüttelte den Kopf. »Erzähl das Antar! Dahin solltest du jetzt gehen, wenn du wissen willst, was die Qahiraner denken. Er ist jetzt unser König.«
Er machte ein saures Gesicht, und Art sagte; »Er ist Jackies Kreatur. Weiter nichts.«
»Ich sollte meinen, es würde ein Schlag gegen ihn geführt werden.«
Zeyk zuckte die Achseln.
Nazik sagte: »Es kommt darauf an, zu wem du sprichst. Für die älteren muslimischen Immigranten ist es eine schlechte Assoziation; denn obwohl Jackie sehr mächtig ist, hat sie mehr als einen Gefährten, und darum sieht Antar... «
»Kompromittiert aus«, schlug Art vor und verhinderte weitere Worte seitens des finster blickenden Zeyk.
»Ja«, sagte Nazik. »Aber andererseits ist Jackie mächtig. Und alle Leute, die jetzt die Partei Freier Mars führen, sind in einer Position, in dem neuen Staat noch mächtiger zu werden. Das gefällt den jungen Arabern. Sie sind mehr eingeboren als arabisch, denke ich. Der Mars ist ihnen wichtiger als der Islam.
Wenn man es so sieht, ist eine enge Assoziation mit den Ektogenen von Zygote eine gute Option. Die Ektogenen gelten als die natürlichen Anführer des Mars, besonders natürlich Nirgal; aber da er zur Erde unterwegs ist, gibt es einen gewissen Übergang seines Einflusses auf Jackie und den Rest ihrer Schar. Und damit auch auf Antar.«
»Ich mag ihn nicht«, erklärte Zeyk.
Nazik lächelte ihrem Gatten zu. »Es paßt dir nicht, daß viele eingeborene Muslims eher ihm folgen als dir. Aber, Zeyk, wir sind alt. Es könnte Zeit sein, sich zurückzuziehen.«
»Ich sehe nicht ein, warum«, entgegnete Zeyk. »Wenn wir tausend Jahre zu leben haben, was für einen Unterschied machen da hundert Jahre?«
Art und Nazik lachten ihn an, und Zeyk lächelte kurz. Es war das erste Mal, daß Art ihn lächeln sah.
Tatsächlich spielte das Alter keine Rolle. Die Leute gingen umher, alt oder jung oder irgendwo dazwischen, plauderten und diskutierten; und es wäre seltsam gewesen, wenn die Länge der Lebenszeit von jemandem bei solchen Diskussionen eine Rolle gespielt hätte.
Um Jugend oder Alter ging es in der einheimischen Bewegung gar nicht. Wenn man auf dem Mars geboren war, sah man einfach anders aus, irgendwie areozentrisch in einer Weise, die kein Terraner ganz begreifen konnte. Nicht bloß wegen des ganzen Komplexes von Mars-Realitäten. Denen waren sie von Geburt an ausgesetzt und kannten sich mit ihnen aus. Es gab aber eine andere Seite, die den Marsgeborenen unbegreiflich war, und auch dieses fehlende Wissen schlug sich in ihrer Erscheinung nieder. Es handelte sich dabei um die unendliche kulturelle Bandbreite und biologische Weite auf der Erde, die den Marsgeborenen einfach unvorstellbar war. Sie hatten die Fernsehbilder gesehen, aber das genügte nicht, daß sie sie hätten erfassen können. Das war einer der Gründe gewesen, weshalb Art froh gewesen war, als Nirgal beschlossen hatte, an der diplomatischen Mission zur Erde teilzunehmen. Er wollte erfahren, mit was sie zu tun bekämen.
Die meisten Eingeborenen teilten dieses Interesse nicht. Und die Revolution war ihnen zu Kopf gestiegen. Trotz ihres Geschicks am großen Tisch bei der Ausarbeitung der Verfassung zu einer Form, die ihnen Vorrechte sichern würde, waren sie im Grunde irgendwie naiv. Sie hatten keine Ahnung, wie unwahrscheinlich ihre Unabhängigkeit war und wie leicht sie ihnen wieder genommen werden konnte. Und so tanzten sie
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