Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
haben, nicht wahr? Wir können nicht ins Marsjahr 1 zurückgehen und das Ganze neu anlaufen lassen. Und angesichts der gegenwärtigen Situation könnte es gut sein, drei oder vier Plätze im Originalzustand zu bewahren, oder wenigstens nahezu so.«
»Es wäre schön, auch einige Canyons schützen zu lassen«, sagte Tiu unentschlossen. Offenbar hatten sie diese Möglichkeit zuvor nicht erwogen, wie Art vermutete. Aber man konnte die derzeitige Lage nicht ignorieren. Hier mußten sie beginnen.
»Oder das Argyre-Becken.«
»Zumindest muß man Argyre trocken halten.«
Art nickte ermutigend. »Ich denke, daß diese Art der Erhaltung der Atmosphäre dem Dokument von Dorsa Brevia Grenzen setzt. Sie wird den nördlichen Ozean nicht beseitigen. Aber das hat sowieso niemand vor. Irgendeine Form von Ökopoesis ist ungefähr das beste, war ihr derzeit erhoffen könnt. Nicht wahr?«
Vielleicht war das zu nüchtern ausgedrückt. Die Roten schauten unglücklich in die Caldera hinunter und machten sich ihre eigenen Gedanken.
»Die Roten machen also wohl mit«, sagte Art zu Nadia, als er ihr von dem Gespräch erzählte. »Was, meinst du, ist das nächstschlimmste Problem?«
»Was?« Sie hatte fast geschlafen und von ihrem Computer blechernen alten Jazz angehört. »O Art.« Ihre Stimme war leise und ruhig. Der russische Akzent war schwach, aber deutlich. Sie saß zusammengerollt auf der Couch. Zu ihren Füßen lag ein Haufen zusammengeknülltes Papier. Wie Teile eines Puzzles, an dem sie arbeitete. Ein kleines und zufälliges Symbol für die Lebensweise des Mars. Ihr Gesicht war oval unter einer Kappe aus glattem weißen Haar. Die Runzeln ihrer Haut wurden irgendwie schwächer, als ob sie ein Kiesel im Strom der Jahre wäre. Sie öffnete ihre gefleckten Augen, die unter ihren kosakischen Lidern strahlend und fesselnd hervorleuchteten. Ein schönes Gesicht, das Art jetzt vollkommen entspannt anblickte. »Das nächstschlimmste Problem.«
»Ja.«
Sie lächelte. Woher kam diese Ruhe, dieses entspannte Lächeln? Sie machte sich in diesen Tagen um nichts Sorgen. Art fand das angesichts des politischen Drahtseilaktes, den sie ausführten, überraschend. Aber schließlich war es ja Politik und nicht Krieg. Und so wie Nadia während der Revolution schrecklich verängstigt gewesen war, immer angespannt, immer in Erwartung einer Katastrophe, so war sie jetzt relativ ruhig. Als ob sie sagen wollte: Nichts, was hier geschieht, kann wirklich schlimm werden. Pfuscht mit den Details herum soviel ihr wollt. Meine Freunde sind sicher, der Krieg ist vorbei. Was bleibt, ist eine Art Spiel: Konstruktionsarbeit voller Vergnügen.
Art ging hinten um die Couch herum und massierte ihr die Schultern. »Tja, Probleme«, seufzte sie. »Nun, es gibt eine Menge Probleme, sie sind alle gleich zäh.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel frage ich mich, ob die Mahjaris imstande sein werden, sich der Demokratie anzupassen. Ich frage mich, ob jeder die Öko-Ökonomie von Vlad und Marina akzeptieren wird. Ich frage mich, ob wir eine anständige Politik machen können. Ich frage mich, ob Jackie versuchen wird, ein System mit einem starken Präsidenten zu schaffen oder ob sie versuchen wird, die zahlenmäßige Überlegenheit der Eingeborenen zu nutzen, um Königin zu werden.« Sie blickte über die Schulter und lachte über Arts Gesicht. »Ich mache mir Gedanken über viele Dinge. Soll ich fortfahren?«
»Vielleicht besser nicht.«
Sie lachte. »Ach, mach nur weiter. Das macht Spaß. Die Probleme, mit denen wir es zu tun haben, sind wirklich nicht so phänomenal. Wir werden einfach weiter an den Tisch treten und sie bearbeiten. Vielleicht solltest du mit Zeyk reden.«
»Okay.«
»Aber jetzt kümmere dich um meinen Nacken!«
Art ging, nachdem Nadia eingeschlafen war, noch in derselben Nacht zu Zeyk und Nazik. Er fragte: »Also, was halten die Mahjari von alledem?«
Zeyk knurrte: »Stell bitte nicht so blöde Fragen! Sunniten kämpfen mit Schiiten, der Libanon ist verwüstet, die ölreichen Staaten werden von den ölarmen Staaten gehaßt, die nordafrikanischen Länder sind ein Metanat; Syrien und Irak hassen einander, mit Ausnahme der Schiiten; und wir alle hassen natürlich Israel und auch die Palästinenser, und obwohl ich aus Ägypten komme, bin ich eigentlich Beduine, und wir hassen die Nil-Ägypter und kommen auch eigentlich mit den Beduinen vom Jordan nicht gut zurecht. Wenn du mich also nach der Meinung der Araber fragst, was soll ich dir sagen?«
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