Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Physiker für seltsam zu halten. Und die zunehmende Verwendung von Übersetzungscomputern gewöhnte alle an merkwürdige Ausdrucksweisen jeder Art. Fast jeder, den Nirgal traf, sprach Englisch; aber es gab leider sehr verschiedene Arten von Englisch, so daß die Erde auf Nirgal wie eine Explosion von Idiomen wirkte, wobei keine zwei Personen die gleiche Sprache benutzten.
In diesem Zusammenhang lauschte man Sax höchst ernsthaft. »Die Flut markiert eine Bruchstelle in der Geschichte«, sagte er eines Morgens auf einer großen allgemeinen Versammlung in der Kammer des Nationalrates im Bundeshaus. »Es war eine natürliche Revolution. Das Wetter auf der Erde hat sich geändert, genau wie das Land und die Meeresströmungen. Die Verteilung der menschlichen und tierischen Bevölkerung. In dieser Situation besteht kein Grund, die vorsintflutliche Welt um jeden Preis wiederherstellen zu wollen. Das ist nicht möglich. Und es gibt viele Gründe für die Einrichtung einer verbesserten sozialen Ordnung. Die alte ist brüchig geworden. Es kam zu Blutvergießen, Hunger, Sklaverei und Krieg. Leiden. Unnötiger Tod. Es wird immer Tod geben. Aber er sollte für jeden Menschen so spät wie möglich kommen. Am Ende eines guten Lebens. Das ist das Ziel jeder rationalen sozialen Ordnung. Darum sehen wir die Flut als eine Gelegenheit - hier wie auf dem Mars -, um eine neue Form zu gestalten.«
Die UN-Beamten und Berater der Metanat runzelten dabei die Stirn, aber sie hörten zu. Und die ganze Welt paßte auf. Darum war nach Nirgals Ansicht gar nicht so wichtig, was ein Kader von Führern in einer europäischen Stadt dachte, sondern vielmehr das Volk in seinen Dörfern, das im Fernsehen den Mann vom Mars betrachtete. Und da Praxis und die Schweiz und deren Verbündete weltweit alle ihre Ressourcen in Hilfe für Flüchtlinge und in die Langlebigkeitsbehandlung gesteckt hatten, schlössen sich überall Menschen zusammen. Wenn man den Lebensunterhalt gewinnen konnte, indem man die Welt rettete, wenn das die beste Chance für Stabilität, langes Leben und die Aussichten der Kinder bedeutete - warum dann nicht? Warum nicht? Was hätten die meisten Leute zu verlieren? Die vergangene metanationale Periode hatte einigen genützt, aber Milliarden waren zu kurz gekommen und jetzt in einer Lage, die sich ständig verschlimmerte.
So verloren die Metanats massenhaft ihre Arbeiter. Sie konnten sie nicht einsperren. Es war schwer, sie in Panik zu versetzen. Die einzige Möglichkeit, sie zu behalten, war die Einführung der gleichen Art von Programmen, mit denen Praxis angefangen hatte. Und das taten sie, oder behaupteten das wenigstens. Maya war sicher, daß man durch oberflächliche Veränderungen Praxis nur nachahmte, um die Arbeiter und auch die Profite zu behalten. Es war aber möglich, daß Sax recht hatte und daß sie nicht in der Lage sein würden, die Situation unter Kontrolle zu behalten, und daß sie wider Willen eine neue Ordnung einführen würden.
Nirgal entschloß sich genau das während einer Pressekonferenz in einem großen Nebenraum voller Reporter und Abgeordneter zu sagen - so unähnlich dem improvisierten Tisch im Lagerhaus von Pavonis und dem aus dem Dschungel gehauenen Komplex in Trinidad und der Bühne in dem Volksmeer während jener wilden Nacht in Burroughs. Nirgal erkannte plötzlich, daß seine Rolle darin bestand, der junge Marsianer zu sein, die Stimme der neuen Welt. Vernünftig zu sein, und den alliierten Gesichtspunkt darzulegen, konnte er getrost Maya und Sax überlassen.
»Es wird alles in Ordnung gehen«, verkündigte er und blickte so viele von ihnen an, wie er konnte. »Jeder Augenblick in der Geschichte enthält eine Mischung archaischer Elemente, von Dingen aus der ganzen Vergangenheit, bis hin zur Vorgeschichte. Die Gegenwart ist immer eine Mischung dieser mannigfaltigen archaischen Elemente. Es gibt immer noch Ritter, die auf Pferderücken ausziehen, um den Bauern die Ernte zu rauben. Es gibt auch immer noch Gilden und Stämme. Jetzt sehen wir, daß so viele Menschen ihre Jobs aufgeben, um bei der Fluthilfe mitzuarbeiten. Das ist etwas Neues. Aber es ist auch gleichzeitig eine Pilgerschaft. Sie wollen Pilger sein, die ein geistiges Ziel haben, sie wollen echte, sinnvolle Arbeit leisten. Sie wollen von niemandem mehr bestohlen werden. Diejenigen von euch hier, die die Aristokratie vertreten, sehen besorgt aus. Vielleicht werdet ihr für euch selbst arbeiten müssen und davon leben. Auf dem gleichen Niveau
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