Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
war dünn, sauber und frisch bei ungefähr 270 K - die beste Luft, die Nirgal geatmet hatte, seit er den Mars verließ. Es war ein so vertrautes Gefühl, daß ihm die Tränen kamen! Ah, das war ein Ort!
Selbst mit Sonnenbrille war das Licht extrem hell. Der Himmel war dunkles Kobalt. Schnee bedeckte die meisten Bergflanken, aber überall stieß Granit durch den Schnee, besonders auf den Nordseiten der großen Massen, wo die Klippen zu steil waren, um den Schnee festzuhalten. Hier oben wirkten die Alpen gar nicht mehr wie eine Böschung. Jede Felsenmasse hatte ihre eigene Präsenz und Gestalt, vom Rest getrennt durch weite Räume leerer Luft, einschließlich Gletschertäler, die enorm tiefe U-förmige Mulden bildeten. Nach Norden zu lagen diese Riesengräben tief unten und grün, oder sogar voller Seen. Im Süden lagen sie höher und enthielten nur Schnee, Eis und Fels. An diesem Tag strömte der Wind von Süden empor und führte die Kälte des Eises mit sich.
Unten im Eistal, direkt südlich vom Paß, konnte Nirgal ein großes zerklüftetes weißes Plateau erkennen, wo die Gletscher von den umliegenden Hochbecken zusammenflössen. Das war der Concordiaplatz, wie man ihm sagte. Da trafen sich vier große Gletscher und flössen dann nach Süden in den Großen Aletschgletscher, den längsten Gletscher der Schweiz.
Nirgal ging zum Ende der Terrasse, um weiter in diese Wildnis aus Eis zu schauen. Ganz hinten entdeckte er einen Treppenpfad, der in den harten Schnee der Südwand gehauen war, dort wo sie zum Paß aufstieg. Der Weg führte zu dem Gletscherplateau unter ihnen und von da zum Concordiaplatz.
Nirgal bat seine Begleiter, im Bahnhof zu bleiben und dort auf ihn zu warten. Er wollte allein klettern. Sie protestierten, aber der Gletscher war im Sommer schneefrei, die Spalten alle deutlich zu erkennen und der Pfad ebenfalls. Und sonst war an diesem kalten Sommertag niemand da unten. Dennoch waren die Mitglieder seiner Eskorte unsicher, und zwei bestanden darauf, mit ihm zu kommen, wenigstens einen Teil des Weges und in einigem Abstand, >nur für den Falk Endlich stimmte Nirgal dem" Kompromiß zu, zog seine Kapuze über und kletterte die Eistreppe hinunter, wobei er mühsam voranstapfte, bis er auf dem flacheren Teil des Jungfraufirns angelangt war. Die Klippen zur Seite dieses Schneetales verliefen von der Jungfrau und dem Mönch nach Süden und fielen nach ein paar hohen Kilometern steil zum Concordiaplatz hin ab. Vom Pfad aus sah ihr Gestein schwarz aus, vielleicht auch nur im Kontrast zu der Weiße des Schnees. Hie und da leuchteten in dem weißen Schnee schwach rötliche Flecken - Algen. Kümmerliches Leben sogar hier. Größtenteils war die weite Fläche aber von reinem Weiß und Schwarz, mit der darüber hängenden Kuppel aus Preußischblau, während ein kalter Wind vom Concordiaplatz den Canyon herauf gepreßt wurde. Nirgal wollte es bis zum Concordiaplatz schaffen, um einen Rundblick zu haben; er konnte aber nicht sagen, ob der Tag ihm genügend Zeit geben würde oder nicht. Es war sehr schwierig zu beurteilen, wie weit der Tag schon fortgeschritten war. Es könnte leicht später sein, als es den Anschein hatte. Aber er konnte gehen, bis die Sonne die halbe Höhe zum westlichen Horizont erreicht hatte und dann umkehren. Darum schlidderte er rasch über den Firn nach unten, von einer orangefarbenen Wand zur andern. Er fühlte in sich die Extra-Person und war sich auch der zwei Begleiter bewußt, die ihm beharrlich in etwa zweihundert Meter Entfernung folgten.
Längere Zeit ging er bloß dahin. Das war nicht so anstrengend. Die eingekerbte Eisfläche knirschte unter seinen braunen Stiefeln. Die Sonne hatte die oberste Schicht trotz des kühlen Windes aufgeweicht. Die Oberfläche war zu weiß, um sie genau zu erkennen, selbst mit Sonnenbrille. Das Eis rutschte beim Gehen und schimmerte schwärzlich.
Die Grate rechts und links wurden allmählich niedriger. Er kam auf den Concordiaplatz hinaus und konnte über sich die Gletscher in anderen hohen Canyons erkennen, als ob die Finger einer Hand aus Eis gegen die Sonne gehalten würden. Die Handwurzel verlief nach Süden - der Große Aletschgletscher. Er stand in der weißen Handfläche, der Sonne zugewandt und nahe einer Rettungsleine aus Geröll. Das Eis hier draußen war löchrig, knorrig und bläulich getönt.
Ein Wind zerrte an ihm und wirbelte durch sein Herz. Er drehte sich langsam um, wie ein kleiner Planet oder ein Kreisel vor dem Umkippen, und
Weitere Kostenlose Bücher