Mars
Eingeweide in dem Moment wegsackten, als die Raketentriebwerke des Shuttles abgeschaltet wurden. Sein Innenohr sagte ihm, da ß er fiel, unaufh ö rlich fiel. Doch er sah, da ß er an seinem Sitz im voll belegten Mitteldeck der F ä hre festgeschnallt war, in die man ihn zusammen mit f ü nf Technikern auf dem Weg zu einer weiteren Arbeitswoche hineingepfercht hatte. Ihre Overalls waren vom st ä ndigen Gebrauch fleckig und ausgefranst; der von Jamie war so neu, da ß er noch B ü gelfalten an den Ä rmeln hatte.
Alle Wissenschaftler-Kandidaten hatten w ä hrend ihres jahrelangen Trainings zumindest ein paar Tage im Orbit verbracht. Jamie hatte zudem drei Fl ü ge mit dem Vomit Comet gemacht, dem gro ß en D ü sentransporter, der Nullschwerkraft simulierte, indem er aus gro ß er H ö he in den Sturzflug ging, dann in einem langen, parabelf ö rmigen Bogen hochzog und dabei ungef ä hr eine halbe Minute Schwerelosigkeit erzeugte, bei der sich einem der Magen umdrehte. Er wu ß te, was ihn erwartete, und geriet nicht in Panik. Trotzdem f ü hlte er, wie es in seinem Magen brodelte, und sein Verstand umnebelte sich.
Jamie verspürte sämtliche klassischen Symptome der Raumkrankheit, als er den altgedienten Technikern durch die Luke des Shuttles und die engen Metallkammern der Mir in den geräumigeren Empfangsbereich des riesigen Shuttle-Tanks folgte. Sie unterschied sich ein wenig von der Seekrankheit. Er hatte ein dumpfes Gefühl im Kopf, während sich die Körperflüssigkeiten in seinem Innern frei vom Druck der Schwerkraft verlagerten. Ihm war ein wenig übel, fast schwindlig, und er fühlte sich desorientiert. Als hätte er sich eine schwere Grippe zugezogen.
Bordsanitäter nahmen ihn buchstäblich ins Schlepptau und erklärten ihn nach einer flüchtigen Untersuchung fröhlich für gesund. Sie gaben ihm ein Pflaster mit einem sich langsam freisetzenden Medikament, das er sich hinters Ohr kleben konnte, und teilten ihm mit, daß sich alle Marswissenschaftler im großen Besprechungsraum versammelten. Jamie wollte nicken, merkte, daß ihm von der Kopfbewegung speiübel wurde, und begnügte sich damit, nach dem Weg zum großen Besprechungsraum zu fragen.
Der Beschreibung folgend, bewegte er sich langsam durch den zentralen Gang, wobei er sich ohne jede Kraftanstrengung an den alle vier W ä nde s ä umenden Leitersprossen vorw ä rtshangelte wie ein Schwimmer, der sich am Rumpf eines gesunkenen Schiffes entlangarbeitet. Es war schwierig, an Decke und Boden zu denken, wenn Oben und Unten keine objektive Bedeutung hatten. Jamie betrachtete den Gang bewu ß t als einen tiefen Brunnen mit Metallw ä nden, den er emporstieg; in tr ä umerischer Zeitlupe schwebte er schwerelos zum Rand hinauf.
» Ah, da sind Sie ja! Sie haben es geschafft. «
Jamie drehte sich um, als die Stimme hinter ihm erklang, und w ü nschte sofort, er h ä tte es nicht getan; sein Magen reagierte reichlich nerv ö s.
Es war Tony Reed. Er l ä chelte, als w ä re er in der Schwerelosigkeit geboren, und glitt so m ü helos durch den Gang wie ein grinsender Delphin.
Jamie versuchte zu l ä cheln.
» Freut mich, Sie hier zu sehen « , sagte Reed und streckte die Hand aus, als er zu Jamie heraufkam, » obwohl Sie mir ein bi ß chen gr ü n vorkommen. «
» Ich gew ö hne mich schon daran « , sagte Jamie und hielt sich an einer Leitersprosse fest, w ä hrend seine F üß e frei im Raum schwebten.
» Aber nat ü rlich. Wir sind alle sehr froh, da ß Brumado die Chefetage dazu bewegen konnte, Sie als Geologen ins Team aufzunehmen. «
Reed setzte sich wieder in Bewegung, und Jamie stie ß sich an einer Sprosse ab, um mit ihm Schritt zu halten. » Ich bin immer noch ein bi ß chen benommen … das ging alles so schnell. «
Mit seinem etwas schiefen L ä cheln sagte Reed: » Daf ü r k ö nnen Sie sich bei Joanna bedanken. Sie hat die Revolte gegen Hoffmann angef ü hrt. «
» Joanna? «
» Ja. Hat sogar ihren Vater dazu gebracht, sie zu unterst ü tzen. Sie kann eine richtige kleine Raubkatze sein, wenn sie will. «
Am Ende des langen Gangs versammelten sich weitere Personen, wie Jamie sah. Und hinter (unter?) ihnen kamen noch mehr.
Jamie senkte die Stimme und fragte: » Sie meinen, Joanna hat Hoffmanns R ü cktritt erzwungen? «
» Sie war die Anf ü hrerin. Wir hatten aber alle gewisserma ß en die Finger im Spiel. Als feststand, da ß DiNardo nicht mitkommen w ü rde, begriffen wir pl ö tzlich, da ß uns zwei Jahre in einer Zelle mit
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