Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
kümmern.«
»Und du?«, brachte sie mühsam hervor.
»Ich ruf dich morgen früh an.«
Er sah auf die Uhr und stand auf. Als er auf dem Weg ins Badezimmer an ihr vorbeiging, vermied er es, sie anzusehen. Hinter sich schloss er ab. Er wollte Lole unter der Dusche nicht bei sich haben. Im Spiegel betrachtete er sein Gesicht. Er mochte es nicht. Er fühlte sich alt. Er hatte das Lächeln verlernt. Um die Mundwinkel hatte sich eine bittere Falte eingegraben, die nicht mehr verschwinden würde. Er wurde fünfundvierzig, und dieser Tag würde der mieseste seines Lebens sein.
Er hörte den ersten Akkord auf der Gitarre von Entre dos , aquas. Paco de Lucia. Lole hatte die Lautstärke aufgedreht. Sie stand mit gekreuzten Armen vor der Stereoanlage und rauchte.
»Du versinkst in Erinnerungen.«
»Rutsch mir den Buckel runter.«
Er nahm die Pistole, lud sie, sicherte sie und klemmte sie am Rücken zwischen Hemd und Hose. Sie hatte sich umgedreht und verfolgte jede seiner Bewegungen.
»Beeil dich. Ich will nicht, dass du den Zug verpasst.«
»Was wirst du tun?«
»Für Durcheinander sorgen. Hoffe ich.«
Das Mofa schnurrte im Leerlauf, keine einzige Fehlzündung. 16.51 Uhr, Rue des Espérettes, unterhalb der Villa von Charles Zucca. Es war heiß. Der Schweiß rann ihm den Rücken runter. Er wollte es schnell hinter sich bringen.
Den ganzen Morgen hatte er die Beurs gesucht. Sie wechselten dauernd die Straßen. Das war ihre Regel. Wahrscheinlich war es sinnlos, aber sie hatten sicher ihre Gründe. In der Rue Fontaine-de-Caylus hatte er sie schließlich gefunden. Aus der Straße war ein Platz mit Bäumen und Bänken geworden. Sie waren die Einzigen auf dem Platz. Niemand aus dem Viertel kam hierher, um sich hinzusetzen. Die Leute blieben lieber vor ihrer Tür. Die Größeren saßen auf den Stufen eines Hauses, die Jüngeren standen. Als sie ihn kommen sahen, stand der Chef auf, die anderen hielten sich zurück.
»Ich brauch deine Mühle. Für heut Nachmittag. Bis sechs. Zweitausend in bar.«
Vorsichtig beobachtete er die Umgebung. Er hatte daraufgesetzt, dass niemand in den Bus einsteigen wollte. Wenn jemand auftauchte, würde er verzichten. Falls ein Fahrgast aus dem Bus aussteigen wollte, würde er das allerdings zu spät mitkriegen. Das war ein Risiko. Er hatte beschlossen, es darauf ankommen zu lassen. Dann sagte er sich, wenn er dieses Risiko schon einginge, könnte er sich auf das andere ebenfalls einlassen. Er begann zu rechnen. Der Bus hält. Die Tür öffnet sich. Die Person steigt ein. Der Bus fährt wieder ab. Vier Minuten. Nein, gestern hatte es nur drei Minuten gedauert. Sagen wir trotzdem vier. Zucca hätte die Straße schon überquert. Nein, er hätte das Mofa gesehen und es vorbeigelassen. Er schob alle Gedanken beiseite und zählte wieder und wieder die Minuten. Ja, es war möglich. Aber was dann kam, war wie im Western. 16.59 Uhr.
Er zog das Helmvisier herunter. Die Pistole lag gut in seiner Hand. Und die Hände waren trocken. Er gab kaum merklich Gas und fuhr am Bürgersteig entlang, die linke Hand an den Lenker geklammert. Der Pudel tauchte auf, hinter ihm Zucca. Eine innere Kälte stieg in ihm auf. Zucca sah ihn kommen. Er blieb am Kantstein stehen und hielt den Hund zurück. Er begriff, aber zu spät. Sein Mund öffnete sich, ohne dass er einen Laut von sich gegeben hätte. Die Augen weiteten sich. Die Angst. Das hätte schon gereicht, dass er sich in die Hose geschissen hätte. Er drückte auf den Abzug. Angewidert. Von sich. Von ihm. Von den Menschen. Und von der Menschheit. Er leerte das Magazin in seine Brust.
Vor der Villa machte der Mercedes einen Satz. Von rechts kam der Bus. Er fuhr an der Haltestelle vorbei, ohne abzubremsen. Da riss er die Maschine herum, überrundete den Bus und schnitt ihm den Weg ab. Um ein Haar hätte er den Kantstein gestreift, aber er kam glatt vorbei. Der Bus bremste scharf und blockierte die Straße für den Mercedes. Er floh mit Vollgas, bog links ab und noch mal links, in den Chemin du Souvenir, dann in die Rue des Roses. In der Rue des Bois-Sacrés warf er die Pistole in einen Gulli. Wenige Minuten später fuhr er ruhig die Rue d'En doume entlang.
Dann erst dachte er an Lole . Eins nach dem anderen. Es gab nichts mehr zu sagen. Du hast dich danach gesehnt, ihren Bauch an deinem zu spüren, den Geschmack ihrer Haut und ihren Geruch nach Pfefferminz und Basilikum begehrt. Aber es lagen zu viele Jahre zwischen euch, zu viel Schweigen. Und Manu. Tot, und noch
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