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Marshall McLuhan

Marshall McLuhan

Titel: Marshall McLuhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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schottischer, englischer und irischer Einwanderer, Leute, die froh über ihren Gehaltscheck waren und keine Lust auf Veränderungen und Überraschungen hatten. 16 Der Letzte, den man an so einem Ort vermisste, war Marshall McLuhan. In gewisser Hinsicht machte er allein durch seine Existenz auf Torontos verschlafene Bedeutungslosigkeit aufmerksam.
    Und doch …
    Etwas
war
los in Toronto.
    Allmählich entstand ein Bewusstsein dafür, dass die Medien etwas waren, mit dem man sich befassen musste, und dass sie neue Gesetze und Veränderungen mit sich brachten. Man darf nicht vergessen, dass es damals noch kein Vokabular für diese gerade erst im Entstehen begriffene elektronische Welt gab. Das Fernsehen war geboren und nahm seit den frühen fünfziger Jahren gewaltigen, irreversiblen Einfluss auf das Leben in den westlichen Gesellschaften – so nachhaltig wie das Radio und später das Internet. Sein unaufhaltsamer Aufstieg veranlasste Marshall anscheinend dazu, sich auf die Medien und die tägliche Informationsflut einzustellen. Das Fernsehen war ein weiteres Mittel, Kultur zu vereinheitlichen und päckchenweise zusammenzuschnüren, und selbstredend verabscheute Marshall das und wollte nicht in seinen Strudel hineingezogen werden. 17
    Toronto war in der einzigartigen Lage, objektiv beurteilen zu können, was sich sowohl auf der anderen Seite des Lake Ontario als auch auf der anderen Seite des Atlantiks abspielte. Es war eine große moderne Stadt in einem Land, das im Gegensatz zu Europa, den USA und Asien nicht von politischen und religiösen Orthodoxien erdrückt wurde. Es bot eine versuchslaborähnliche Situation, in der die Auswirkungen der Medien empirisch untersucht werden konnten.
    Der erste, der das tat, war der kanadische Wissenschaftler Harold Innis. 1930 veröffentlichte er ein Buch über den Pelzhandel in Kanada mit dem Titel
The Fur Trade in Canada: An Introduction to Canadian Economic History
. Innis behauptete, dass die Einführung eines neuen Handelsrohstoffs wie Biberfelle zu einer Vernetzung der Gesellschaft führe, ähnlich wie bei einem neuen Medium wie Radio oder Film. Die Biberfelle bestimmten Form und Geltungsbereich eines Großteils von Kanada – zusammen mit der Fertigstellung des nationalen Eisenbahnnetzes. Innis war fasziniert davon, wie über diese endlose Weite hinweg eine Kultur entsteht, und verfolgte bis zu seinem Tod 1952 die Rolle der Printmedien und des Radios bei der Vernetzung dieses gigantischen leeren Landes. Er stellte fest, dass Kommunikationsmedien im Grunde technologische Erweiterungen unserer Sinne sind. Innis zufolge waren die Medien in der Lage, das Bild des Menschen von Zeit und Raum zu verkleinern, erweitern, zusammenbrechen zu lassen und neu zu ordnen.
    Anfang 1946 erhielt McLuhan das Angebot, im Herbst desselben Jahres am katholischen St. Michael’s College der Universität von Toronto zu unterrichten, wo er eine kurze Zeit lang mit Innis zusammenarbeiten sollte.
    Auf Wiedersehen Ende der Welt …
    In Toronto hatte Marshall sämtliche psychologischen Sicherheitsnetze, die er brauchte: einen festen Wohnsitz, seine neue Familie, Elsie in seiner Nähe, einen guten Job und eine starke Kirche. Mit fünfunddreißig war er zwar nicht das, was Elsie als erfolgreich bezeichnet hätte, aber er war voller Tatendrang und fing an, alles auf die eine Schiene zu setzen, die ihm letzten Endes zum Ruhm verhelfen würde: Mustererkennung.
    Marshall interessierte sich dafür, wie die moderne Kultur alles, womit sie in Berührung kam, vereinheitlichte und nach dem Baukastenprinzip einordnete – als einfaches Beispiel die Zeit. Bevor es Uhren gab, gab es Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, aber eine standardisierte Zeiteinteilung war nicht möglich. Mit der Uhr wurde die Zeit in frikadellenförmige einzelne Stundenblöcke aufgeteilt, die überall auf der Welt gleich waren, vermutlich auch im All und in fremden Galaxien. In der Musik erfand man die Partitur, die ehrfürchtig empfundene Psalmen in bloße Noten auf dem Papier verwandelte. Und natürlich wurden auch Nutztiere wie Kühe gleichgemacht und … zu Frikadellen verarbeitet.
    Marshall verabscheute die gnadenlos kommerzialisierte Standardisierung der vorwissenschaftlichen Welt, aber in den Jahren direkt nach dem Krieg stand das Motto Fortschritt durch Wissenschaft ganz oben auf Amerikas sozialpolitischer Agenda. Die Auswirkungen auf die Gesellschaft waren noch nicht erkennbar und würden mit Sicherheit einer kritischen akademischen

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