Marshall McLuhan
Betrachtung unterzogen.
… Hallo Toronto
Marshall, Corinne und ihre drei Kinder (die Zwillingstöchter kamen Ende 1945 zur Welt) zogen 1946 nach Toronto, wobeide Eltern bis zum Ende ihres Lebens blieben. Marshall trennten nur wenige Schritte sowohl von seiner Arbeit als auch von der Kirche, wo er in den Pausen der Welt Raum und Zeit entfloh und sich in himmlische Gefilde begab.
Am College sah sich Marshall mit Schwierigkeiten durch die Kirchenpolitik konfrontiert. St. Michaels war eines von mehreren Colleges der weltlichen University of Toronto, aber die Studenten mussten 1946 vor dem Unterricht beten und brauchten eine Genehmigung des Bibliothekars, um Bücher zu lesen, die auf dem
Index Librorum Prohibitorum
standen, dem Index der vom Vatikan verbotenen Bücher. Selbst ein vorbildlicher Apologet wie Marshall spürte, wie die bleierne Hand des Klerus ein paar schlauen Köpfen in der Kollegenschaft die Luft abdrehte. Gleichzeitig zog das College auch außergewöhnliche Leute wie die französischen Philosophen Étienne Gilson und Jacques Maritain mitsamt ihrem Denken an. Im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg ging es an den Englischseminaren tatsächlich relativ spannend zu. Ein Kreis älterer Studenten stellte landläufige Weisheiten infrage, und in Toronto hatte Northrop Frye – eine zentrale Figur in Torontos Blütezeit Mitte des Jahrhunderts – eine beeindruckende Auffassung von Kultur, die Marshall bewundert und angezogen haben muss. Tatsächlich revolutionierte in einer einzigen Stadt (
Wie bitte? In Toronto?
) eine kleine Gruppe von Leuten innerhalb einer bestimmten Zeitspanne weltweit das Verständnis von Kommunikation.
Der Musiker Glenn Gould, der wie Marshall etwas verschroben war und einen eher abgedroschenen Sinn für Humor hatte, formulierte neu, wie Musik entsteht, nachdem er zuletzt komplett auf öffentliche Auftritte verzichtet hatte und sich darauf konzentrierte, Musik einzig und allein in Form von elektronischer Aufzeichnung und nebenbei Radiomontagen vorgefundener Klänge zu produzieren (Marshall wurde zu Goulds Vertrautem und führte regelmäßig mitten in der Nacht vierstündige Gespräche mit ihm). Beim National Film Board sorgte NormanMcLaren für neue Perspektiven in den Bereichen Animation und Time-Based Art, während eine Gruppe von Künstlern namens Painters Eleven die Abstraktion in der Malerei erforschte. Der große Internationalist Lester Pearson wurde mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, wurde bald darauf Premierminister und wies dem Land bereits die fantastische Aussicht auf eine Welt, in der die Menschen miteinander redeten. 18
Will man sich ein Bild davon machen, wie es zu jener Zeit an der University of Toronto aussah, muss man sowohl die guten als auch die schlechten Seiten betrachten. Es herrschte Aufbruchs- und Abenteurerstimmung, und das obwohl der Fachbereich Englisch im Wesentlichen aus einer Reihe miteinander verbundener Baumhäuser bestand, unter denen ein »Mädchen müssen draußen bleiben«-Schild hing. Marshall hatte sich vielleicht ein paar Feinde gemacht, aber das hatte jeder. Wie in vielen anderen akademischen Umgebungen auch ging es dort ein bisschen zu wie in einem Muppets-Kreml, und einer der positiven Nebeneffekte dieses großen Gewimmels war, dass dabei diverse Maschen entstanden, durch die man schlüpfen konnte – was in gewisser Hinsicht erklärt, weshalb Marshall seinen Beschäftigungen einigermaßen ungehindert nachgehen konnte. Hier eine kurze Liste seiner damaligen Bezugspersonen:
Freunde
Der etwas strenge, aber wohlwollende Father Louis Bondy , der Marshalls Fähigkeiten erkannte und ihn aus Windsor wegholte.
Der spitzbübische Ted Carpenter , Institut für Anthropologie der U of T.
Harold Innis , Institut für Volkswirtschaft der U of T, der intellektuelle Mittelpunkt des Landes. Mehr über ihn an anderer Stelle.
Marshalls Nachfolger in Windsor, Hugh Kenner , einer der bedeutendsten Pound-Experten. War in den späten Vierzigern und frühen Fünfzigern nicht mehr in Toronto, aber trotzdem Marshalls Vertrauter und konspirativer Verbündeter, und arbeitete später auch wieder an der U of T mit ihm zusammen.
Der Philosoph und Bilderstürmer George Grant . Genau wie Marshall misstraute Grant der Technik und war mit seinen Ansichten im Christentum verwurzelt. Kein Prof an der U of T. hinterließ aber deutliche Spuren dort.
Der französische Philosoph Étienne Gilson , der regelmäßig zu Besuch kam und heutzutage wahrscheinlich
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